Protest nach Schichtplan

IG Metall und Betriebsräte stellen sich an die Spitze der Arbeitsniederlegungen im Bochumer Opel-Werk. Das Chaos der vergangenen Tage ist vergessen

AUS BOCHUM KLAUS JANSEN

„Dienstplan“, steht auf dem weißen Zettel am Empfangshäuschen neben dem Tor 1 des Opelwerks in Bochum. Am fünften Tag ihrer Arbeitsniederlegung können sich die Opelaner wieder für den Schichtdienst eintragen – allerdings nicht für die Autofertigung am Fließband, sondern für das kleine Einmaleins der Organisation eines Arbeitskampfs. „Ordnung und Sauberkeit, Bühne besorgen, Anlage besorgen, Transparente“ sind die Jobs, die angeboten werden. Die Auswahl zeigt: „Wild“ ist der Streik der Bochumer Opelaner höchstens noch im juristischen Sinne. Vor den Werkstoren haben Betriebsräte und IG Metall das chaotische Protest-Durcheinander der vergangenen Woche mittlerweile in geregelte Bahnen gelenkt.

Einstimmig haben die 1.500 Beschäftigten der drei Bochumer Opelwerke gestern Morgen auf einer Betriebsversammlung beschlossen, ihren als „Informationsveranstaltung“ titulierten Streik fortzusetzen. „Das war total friedlich, null Konflikte“, sagt Rolf Plumhoff-Klein. Der bärtige Betriebsrat trägt eine neongelbe Warnweste der IG Metall. Davon, dass angeblich erste Beschäftigte ihre Arbeit wieder aufgenommen haben, weiß vor dem Tor niemand. „Jeder hat den Betriebsrat unterstützt“, versichert Plumhoff-Klein.

Auch an der Bühne vor dem Tor und an den Absperrungen vor der Einfahrt dominieren die Gewerkschaftsfarben Rot und Gelb, die man noch am Freitag vergeblich gesucht hatte. „Wir sprechen jetzt alle mit einer Stimme. Es soll ja nicht der Eindruck entstehen, dass hier jeder macht, was er will.“ Dass die Gewerkschaften erst nachträglich auf die Protestwelle aufgesprungen seien, sehen die Arbeitnehmervertreter nicht so: „Es gibt keinen Spalt zwischen der IG Metall und der Belegschaft“, sagt Betriebsrat Lothar Marquardt.

Damit das auch so ankommt bei den gut sechzig Medienvertretern, die seit Beginn der Proteste mehr oder weniger ununterbrochen vor dem Opelwerk campieren, haben Betriebsräte und Gewerkschafter dem Protest ein ordentliches Programm gegeben. Erbsensuppe, Plätzchen und Kaffee werden ausgeteilt, und regelmäßig zu jeder vollen Stunde wird das Mikrofon auf der IG-Metall-Bühne geöffnet. Die Kameras dürfen dann abfilmen, wie kampfbereit die Belegschaft und wie solidarisch die Menschen in der Stadt sind. „500 Euro hat gerade ein Bürger in die Streikkasse gespendet“, verkündet ein Arbeiter – um schnell hinzuzufügen, dass es ja eigentlich gar keinen Streik gibt.

Die Einzige, die das schöne Bild stört, ist Brigitte Wolframm. Die Essenerin greift zum Mikrofon, um eine Botschaft als „Mitmensch“ an die Opelaner zu richten. „Liebe Jungs, geht an die Arbeit. Die anderen sitzen am längeren Hebel. Die machen euch den Laden zu“, ist ihr mütterlicher Rat an die Beschäftigten – er geht in lauten Buhrufen unter. „Millionen Menschen stehen hinter uns! Millionen!“, brüllt ein älterer Herr der Frau mit dem geblümten Seidenhalstuch ins Gesicht.

Dass auch SPD-Politiker wie NRW-Ministerpräsident Peer Steinbrück und Wirtschaftsminister Wolfgang Clement oder Gewerkschafter wie IG-Metall-Vize Berthold Huber die Beschäftigten zur Rückkehr an die Bänder aufgerufen haben, wird in Bochum ignoriert. „Wir kommentieren das nicht“, sagt Betriebsrat Marquardt. Zumindest bis zum heutigen Dienstag, an dem Gewerkschafter europaweit zu Streiks gegen General Motors aufgerufen haben, setzen die Bochumer weiter auf eine harte Linie.

Bestes Druckmittel der Bochumer Arbeiter ist dabei, dass auch andere europäische Werke auf Zwischenprodukte aus dem Werk angewiesen sind. Vor allem im belgischen Antwerpen werden die Achsen und Pressteile wie Türen und Motorhauben für den Opel Astra Caravan knapp – Teile, die nur in Bochum produziert werden. Wie hart der Bochumer Protest die Mutterfirma General Motors finanziell trifft, ist umstritten. Die Summe von 60 Millionen Euro pro Tag, die am Wochenende zu hören war, hält Betriebsrat Marquardt für übertrieben: „Das kostet die höchstens 10 bis 30 Millionen Euro.“ Ohnehin sei es nicht das Ziel, dem Unternehmen möglichst großen Schaden zuzufügen: „Wir machen das hier ja nicht, um Druck zu erzeugen, sondern aus nackter Angst.“