Ein ungewöhnlicher Fund

Günzels Brief enthält einen Schreibfehler – und wirft die Urfrage jedes Skandals auf: Ist der Beweis echt?

BERLIN taz ■ Der Brief, der Brigadegeneral Reinhard Günzel Amt und Ehre kostete, umfasst vier Sätze und einen Grammatikfehler: Das Wörtchen „sich“ im dritten Satz macht dort keinen Sinn. Ein sprachliches Versehen des Generals? Oder ein Indiz, dass etwas nicht stimmt mit dem Brief, in dem Günzel dem Abgeordneten Hohmann gratuliert? In jedem Fall stellte sich gestern nach Bekanntwerden des Dokuments zunächst die Urfrage jedes Skandals: Ist das Beweisstück echt?

Nicht nur das Verteidigungsministerium trieb diese Frage um, sondern auch die Medien. Antisemitische Tendenzen bei Bundeswehrangehörigen sind zwar nichts Neues. Zu unglaublich schien aber die Vorstellung, dass ein hoher Offizier die Dummheit besitzen könnte, seine ungeheuren Ansichten schriftlich niederzulegen – zumal in dem Brief selbst die Befürchtung angesprochen wird, „von unserer veröffentlichten Meinung sofort in die rechtsradikale Ecke gestellt“ zu werden.

Misstrauen bei Plausibilitätslücken ist durchaus angebracht. Auf dem Höhepunkt der CDU-Spendenaffäre im Jahr 2000 hielt ein gefälschtes Fax den Berliner Politbetrieb in Atem – für kurze Zeit zwar nur, dafür aber auf spektakuläre Weise. Exkanzler Kohl verkündete in einer Erklärung, die vorgab, aus seinem Büro zu stammen, er werde einem „Ausschuss hochrangiger Persönlichkeiten“ offenbaren, von wem er seine illegalen Parteispenden erhalten hatte. Die Agentur Reuters brachte um 16.18 Uhr eine Eilmeldung, andere Agenturen folgten, um 16.45 Uhr auch die „Tagesschau“. Als eine gute halbe Stunde später Kohls Sprecher via AFP dementierte, hatte sich die Branche der Nachrichtenjäger bereits gründlich blamiert. Die Fälscher wurden nie gefunden.

Auch gestern war die Quellenlage lange Zeit ungesichert. Selbst die Urheber der Sensation, die Redaktion der ZDF-Sendung „Frontal21“, befanden sich nicht im Besitz des Originals von Günzels Brief oder einer Kopie. Der Wortlaut, den das ZDF gestern verbreitete, ist auf leicht ungewöhnliche Weise zustande gekommen, wie taz-Recherchen ergaben: Er geht auf eine Filmaufnahme zurück, die eine „Frontal21“-Mitarbeiterin von einem Drehtermin bei Hohmann am vergangenen Samstag zurückbrachte. Darin ist zu sehen, wie der CDU-Abgeordnete vor der Kamera ein scheinbar verschlossenes Kuvert öffnet und Günzels Brief herauszieht. Quelle des Skandals ist die Abschrift des Standbildes – für andere Medien zunächst nicht verifizierbar. PATRIK SCHWARZ