Gabel auf Haut

„Theater für alle“ in der Schwankhalle: Die steptext company setzt beim Tanzprogramm auf Übersichtlichkeit. Mariko Tanabe präsentiert Bewegungskunst als spannungsreiche Reduktion

Ein alter Garderobenspiegel, ein Stuhl. Darauf Mariko Tanabe. In ihrer Hand: eine Gabel. Wie ferngelenkt stößt sie zu, Richtung Kopf, Richtung Bauch. Und stoppt stets vor dem tödlichen Eindringen in die Haut. Rasch wickelt Tanabe die Gabel in ein leichtes Halstuch, verstaut sie in der Schublade des Schminktisches. Sie schnippt mit dem Finger. Einmal nur.

Viel prägnanter ist existenzielle Beiläufigkeit kaum herzustellen. In einem durch schmale Lichtstreifen angedeuteten Kubus zelebriert die Kanadierin die Kunst von Reduktion und Konzentration. Sounds, knapp aufgeblendete Spots, kleine Bewegungen strukturieren den Raum. In keiner der gut 4.000 Aufführungssekunden kommt es zum Spannungsverlust. Druck scheint sich in Tanabes mehrfach gespiegeltem Körper anzustauen, schießt für kürzeste Dauer hervor, versinkt wieder in gedehnter Zeit. Die Performance von „narcisse en silence“ ist ein Glücksfall inmitten der technikverliebten und halbgaren Tanzproduktionen, die derzeit erfolgreich durch Deutschland touren.

Mit Mariko Tanabe hat die steptext dance company eine Tänzerin eingeladen, die gut eine Generation älter ist als die anderen, die den noch bis zum kommenden Dienstag dauernden Tanz-Schwerpunkt des „Theater für alle“-Festivals in der Schwankhalle bestreiten. Gemeinsam mit zwei Performances der diesjährigen Autoren- und Produzentenpreisträgerin Maren Strack aus Berlin erlebte der Grenzgang zwischen Tanz, Performance und medial unterstützter Choreografie einen hochwertigen Auftakt.

Es gehe, so Festival-Co-Kurator Helge Letonja von steptext, weniger um einen thematischen roten Faden, als um die zeitnahe Präsentation verschiedener Entwicklungen. In überschaubaren Solo- bis Trio-Stücken. Die polnische Produktion „Wycinanka“ und die Performance-Autopsie der jungen Belgierin Nada Gambier, die kommenden Sonntag beim Neue-Choregrafen-Abend zu sehen sein werden, werden unbekümmert und konfrontativ in die alte Trickkiste Theater greifen. Esther Ambrosino erzeugt in V.I.P.@home.com (22.10., 20.30 Uhr) einen Kurzschluss von Bügelbrett und Talkshow, einer kurzweiligen Identitätssuche inmitten der Tücken des Alltäglichsten. Für diesen Einblick in aktuelle Tanz-Bewegungen lässt man die Bügelwäsche gerne einige Stunden warten. Tim Schomacker

Noch bis 26. Oktober gibt‘s internationale Tanzproduktionen bei „Theater für alle“: www.schwankhalle.de