Unerforschte innere Welt

Anteil älterer Menschen unter SelbstmörderInnen ist unverhältnismäßig hoch. Therapiezentrum am UKE startet Forschungsprojekt zu Suizid im Alter

Viele alte Menschen können nicht einmal mehr über das Bild der „rüstigen Rentner“ und „neuen Alten“ lachen, das ihnen von Werbeflächen und aus Zeitschriften entgegenblickt. Wenig hat das oft mit der eigenen Lebensrealität gemein. So haben WissenschaftlerInnen herausgefunden, dass der Anteil der über 60-Jährigen unter den Menschen, die ihr Leben von eigener Hand beenden, unverhältnismäßig groß ausfällt. Um die Beweggründe genauer zu beleuchten und geeignete Therapieformen zu entwickeln, startet das „Therapiezentrum für Suizidgefährdete (TZS) am UKE nun ein Forschungsprojekt zur Suizidgefährdung älterer Menschen.

Insgesamt starben im vorigen Jahr in der Hansestadt 256 Menschen durch Selbsttötung. Damit war jeder 71. Hamburger Todesfall von dem Verstorbenen selbst herbeigeführt. Suizid, erläuterte gestern der Psychologe Georg Fiedler vom TZS, ist die Haupttodesursache für Hamburger zwischen 15 und 40 Jahren – und übersteigt die Zahl der Todesfälle durch Verkehrsunfall, Aids, Drogenmissbrauch oder Gewaltverbrechen.

Trotz dieser Zahlen ist der Anteil älterer Menschen unter den SelbstmörderInnen überproportional hoch. Bekannt ist bisher, dass rund 42 Prozent aller Menschen in Hamburg, die Suizid begehen, über 60 Jahre alt sind – während ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung nur bei 26 Prozent liegt. „Je älter man ist“, resümiert Fiedler, „desto höher ist das Suizidrisiko“.

Und desto schwerer wird es, den Menschen Hilfe anzubieten. Kaum einer, wissen die MitarbeiterInnen des TZS, findet den Weg zu einer Beratungsstelle, einer PsychotherapeutIn oder PsychiaterIn. Zum einen ziehen Ältere sich laut dem Leiter des TZS, Paul Götze, eher „in ihre innere Welt“ zurück. Zum anderen ist eine psychologische Behandlung in der Generation der heutigen RentnerInnen nach wie vor tabuisiert. Wer zum Psychologen geht, weiß Reinhard Lindner vom TZS, gilt als „verrückt“.

Ein Ziel des Forschungsprojektes wird es deshalb sein, Wege zu finden, verzweifelte ältere Menschen anzusprechen und in eine Behandlung einzubinden. Denn ein weiteres Klischee, sagt TZS-Leiter Götze, ist falsch: Der Irrglaube, dass alte Männer und Frauen nicht mehr therapierbar sind. „Ältere Menschen“, sagt Götze, „sind sehr gut psychotherapeutisch behandelbar.“ELKE SPANNER

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