Eskalation in Sri Lanka

Präsidentin Kumaratunga verfügt den Ausnahmezustand. Am Friedensprozess mit Rebellen will sie aber festhalten

BOMBAY taz ■ Zwei Jahre nach dem Ende des letzten Ausnahmzustands musste sich die Bevölkerung Sri Lankas gestern auf eine erneute Einschränkung ihrer Grundrechte und die Erweiterung der Vollmachten für Polizei und Armee einstellen. Präsidentin Chandrika Kumaratunga verfügte am frühen Morgen den Ausnahmezustand. In einer Radio- und Fernsehansprache rechtfertigte sie zudem die Absetzung von drei Ministern und die Suspension des Parlaments. Sie bezichtigte die Regierung, mit der Annahme der Vorschläge der Rebellengruppe LTTE als Basis weiterer Friedensverhandlungen habe sie zu viele Konzessionen gemacht.

Die Bevölkerung der Hauptstadt Colombo reagierte zunächst ruhig, während aus der tamilischen Stadt Jaffna im Norden Berichte von Panikkäufen kamen. Allgemein gilt das Zerwürfnis zwischen Präsidentin und Regierung als akute Gefährdung des Waffenstillstands, der über anderthalb Jahre gehalten hat. Lakshman Kadirgamar, Berater der Präsidentin, versuchte am gestrigen Morgen, der Bevölkerung die Angst vor einer neuen Welle der Gewalt zu nehmen. Die Präsidentin habe „absolut nicht die Absicht, die Feindseligkeiten wieder aufzunehmen“.

Die Äußerungen waren zweifellos auch an die internationale Öffentlichkeit, namentlich an Washington gerichtet. Dort war Premierminister Ranil Wickremesinghe soeben zu einem offiziellen Besuch eingetroffen, als ihn seine Rivalin zu Hause an den Rand des Absturzes brachte. Wickremesinghe sollte am Mittwoch mit Präsident Bush zusammentreffen. Den USA ist die Wahl des Zeitpunkts für die Auslösung des Kräftemessens zwischen Präsidialamt und Regierung zweifellos peinlich, und sie machten denn auch keinen Hehl aus ihrem Ärger. Das State Department sprach von einer Gefahr für den Friedensprozess und drückte der Regierung ihre „volle Unterstützung“ aus, darin fortzufahren.

Auch Indien reagierte „erstaunt“ über die Entwicklungen in Sri Lanka. Kumaratunga, die am Wochenende nach Delhi reisen will, zählt auf die Unterstützung Indiens, da dieses der LTTE ebenfalls nicht über den Weg traut. BERNARD IMHASLY