„Kost the Ost“ zahlt sich nicht aus

Trotz der Ostalgiewelle muss der Ossi-Versand in Dresden und Halle aufgeben

DRESDEN taz ■ Florena-Creme, Vita-Cola, Rotkäppchen-Sekt, Schlager-Süßtafel, Rondo-Kaffee, Ata-Scheuersand, Jesuslatschen und Erzgebirgskitsch: die Requisiten diverser Ostalgie-Shows im Fernsehen sind bequem auch im Internet zu beziehen. Einer der wichtigsten Anbieter jedoch, der Ossi-Versand, hat jetzt ausgerechnet zu Hoch-Zeiten des DDR-Kults kapitulieren müssen. Nicht vor der Nachfrage, sondern vor der Zahlungsmoral der Kunden, von denen etwa 85 Prozent in Westdeutschland leben. „80 Prozent unserer Kunden haben nicht bezahlt“, schimpft Dietmar Nüsse, der die Dresdner Filiale des Versandes betrieb.

Lediglich ein Türschild ist geblieben. Nicht „Test the West“, sondern „Kost the Ost“. Vor allem ehemalige DDR-Bürger, von der Arbeitssuche in den Westen verschlagen, sprach dieser Werbeslogan an. Dass ausgerechnet sie nicht zahlen, frustriert Nüsse am meisten. Auch der größere Bruder des Dresdner Ossi-Versandes in Landsberg bei Halle hat offenbar Insolvenz anmelden müssen. Die Internetseite ist zu, telefonisch ist er nicht erreichbar.

Trotz einer Umsatzsteigerung von 60 Prozent hatte Vorstandschef Gerhard Franz bereits im August Befürchtungen geäußert. Als Grund für die Krise gab er die überraschende Absage eines Investors an. 300.000 Euro sollten in Logistik und Marketing gesteckt werden. Hohe Transportkosten und geringe Gewinnmargen bei Lebensmitteln belasteten das Unternehmen.

Noch 1999 konnte sich der Versand vor Bestellungen kaum retten, die Internetseite brach gelegentlich zusammen. „Vom Erfolg überrollt“, hieß es damals, während zugleich das Hohelied des E-Commerce gesungen wurde. Die Zahl der Kunden soll seither auf 30.000 gewachsen sein. Sie bestellten allein in Landsberg nach Angaben von Franz jährlich Waren im Wert von etwa 1 Million Euro. Der Dresdner Versand setzte auf etwa 1.000 Stammkunden.

Nicht alle Versandhäuser klagen allerdings in gleicher Weise. Der www.ostprodukte-shop.de im thüringischen Römhild präsentiert sich weiterhin im Internet und bietet gleich eine Ferienwohnung für den genussvollen Einkauf mit an. Man habe „Hoffnung, zu überleben“, meint eine Mitarbeiterin. Auch der www .ossiladen.de in Thierbach bei Leipzig floriert nach eigenen Angaben. Man bemerke je nach Medienpräsenz bestimmter Produkte auch Nachfrageschübe – etwa nach Halloren-Kugeln.

Der Versand betreibt außerdem eine Reihe von Läden in Westdeutschland. Damit ist zugleich auf die Urheberschaft des Ostproduktehandels verwiesen. Die Geschäftsidee kam zumeist von cleveren Wessis. Probleme mit der Zahlungsmoral kennen indessen alle, wenn auch nicht in so krasser Form wie der Ossi-Versand. „Vor 12 Jahren waren wir über die pünktlichen Ostdeutschen noch glücklich – jetzt hat sich deren Moral weitgehend der der Westdeutschen angeglichen“, meint ein Sprecher des Quelle-Versandhauses in Nürnberg. Zahlungsproblemen begegnet man hier allerdings mit einer Bonitätsprüfung über die Schufa. MICHAEL BARTSCH