Der Horror führt zu Einigkeit
: KOMMENTAR VON REINER METZGER

Eine Billion Dollar klingen nicht nur eindrucksvoll, eine Billion sind auch wahrlich eine Riesensumme. Der G-20-Gipfel hat allein damit mehr geleistet als erwartet. Die Regierungen wollen mit dieser Summe die armen und die Schwellenländer von der Krise der reichen Industriestaaten isolieren. In den meisten dieser Länder ist ja nicht eine geplatzte Spekulationsblase das Problem, sondern es sind die hohe Arbeitslosigkeit, der Mangel an Produkten oder an Geld für konkrete Unternehmungen. Die Finanzkrise der Reichen hat das Kapital für Verbesserungen bei den Armen weitgehend gestoppt. Eine Billion Dollar können hier viel bewirken. Ohne eine solche Gemeinschaftshilfe wäre der Gipfel von London als ein Treffen der Zyniker in die Geschichte eingegangen, die mühsam ihre Interessen wahren und die anderen in aller Ruhe absaufen lassen.

Nun kommt es natürlich wie immer bei Gipfelbekundungen auf die Details an: Wann zahlt wer wie viele Milliarden; welche Bedingungen halsen der Währungsfonds und die Weltbank den Kreditnehmern auf? All dies wird noch zu studieren sein. Ähnlich die Wirksamkeit der ebenfalls verabschiedeten schwarzen Listen der Steueroasen oder das genaue Gesicht der neuen internationalen Regeln für das Finanzsystem. Hier ist zwischen „klingt gut“ und „greift durch“ viel möglich.

Die wirtschaftlichen Horrorzahlen in den jeweiligen Heimatländern haben zu einem seltenen Gleichklang der nationalen Interessen geführt. Alle wollen den weiteren Zusammenbruch von Handel und Arbeit verhindern. So wird die größte Reform der Weltwirtschaft seit dem Zweiten Weltkrieg im Eiltempo auf den Weg gebracht. Künftig sind auch die Schwellenländer besser an den Entscheidungsprozessen beteiligt. Dass es dafür einer solchen Krise bedurfte, ist zwar bezeichnend, aber jetzt Fakt.

Ab morgen stehen die jeweiligen Lobbyisten parat, um günstige Schlupflöcher in die noch auszuarbeitenden Gesetze und internationalen Verträge einzubauen. Aber ein grober Plan ist immerhin vorgelegt, von dem vieles schwerlich wieder zurückgenommen werden kann. Es gibt nun einmal keine isolierte Krise mehr in der globalisierten Welt.