Kinder lernen allein am besten

In einer Weiterbildung für naturwissenschaftliche Frühförderung lernen Pädagogen, wie sie Kinder in ihrem Forscherdrang unterstützen. Dort wird den Erziehern vor allem vermittelt, dass es wichtig ist, den jungen Forschern nicht zu viel zu erklären

VON JONAS NONNENMANN

„Das ist echt faszinierend!“ Susanne Schulz wirft eine Münze in das Wasserglas und beobachtet mit leuchtenden Augen, wie das Geldstück verschwindet. So scheint es zumindest, denn wegen der Kombination von Glas und Wasser reflektiert das Licht und die Münze ist nicht mehr zu sehen. Eigentlich unterrichtet sie im Kindergarten, doch heute darf Susanne Schulz selbst wieder Kind sein. Zusammen mit zwölf anderen besucht die Pädagogin eine Weiterbildung zur „Fachkraft für naturwissenschaftliche Frühförderung“ im Info-Haus im Duvenstedter Brook, am Hamburger Stadtrand gelegen.

Frühförderung, das klingt etwas nach übereifrigen Müttern, die ihre Kinder viel zu früh mit berufsförderndem Wissen malträtieren wollen. Diesen Eindruck vermittelt der Kurs allerdings überhaupt nicht. Im Gegenteil: Bei der Weiterbildung geht es nicht um das Pauken von Wissen, sondern darum, die Kinder staunen zu lassen. „Ich finde es wichtig, den Kindern nicht zu viel zu erklären“, sagt Kursleiterin Regina Dieck (48). „Frühe Förderung ja, aber es macht keinen Sinn, einem Kind zu erklären was Oberflächenspannung ist. Kinder seien außerdem schnell frustriert, wenn Erwachsene den Eindruck vermittelten, alles zu wissen, mahnt Dieck. „Die Kinder lernen oft am besten alleine.“

Im Grunde ist diese Vorstellung anti-pädagogisch, denn der Gedanke des Erziehens tritt zurück und die Funktion der Erwachsenen beschränkt sich darauf, den Kindern Gegenstände zur Verfügung zu stellen, Dinge die sie faszinieren.

Mit den Teilnehmerinnen arbeitet Kursleiterin Regina Dieck nach einem ähnlichen Konzept. Die dürfen erst einmal selbst an mehreren Lernstationen herum-experimentieren. Wieso schwimmen manche Gegenstände, andere nicht? Wie verändert sich die Farbe von Saft bei wechselndem Säuregrad? Neugierig diskutieren die ErzieherInnen solche Fragen. Die meisten haben Ideen, können das wissenschaftlich aber nicht erklären.

Später, im Alltag in Kita oder Schule, sollen die Pädagoginnen die Versuche so oder so ähnlich auch mit ihren Kindern machen. Deshalb sind die meisten aus beruflichem Interesse dabei, aber unter den Umweltpädagoginnen und Kindergärtnerinnen befindet sich auch eine Mutter.

Als Kursleiterin Regina Dieck schließlich die Naturphänomene erklärt, tut sie das mit der Geduld einer Grundschullehrerin. Dabei kommt sie eigentlich beruflich aus einer ganz anderen Ecke. Dieck studierte zunächst Agrarwissenschaften, arbeitete für Bioland. Irgendwann entschloss sie sich dann, sich als Umweltpädagogin selbstständig zu machen. Und weil Naturwissenschaften sehr gefragt sind, bringt sie heute wissenschaftlich komplizierte Phänomene für Laien auf den Punkt. Umweltschutz spielt in Diecks Lehrplan allerdings weiterhin eine Rolle. Denn im Kurs geht es nicht nur um Akustik und Mechanik, sondern auch um Nachhaltigkeit und Ökologie.

Insgesamt dauert die berufsbegleitende Weiterbildung 16 Monate, einmal pro Monat finden freitags und samstags Kurse statt. Einige private Träger wie die Arbeiterwohlfahrt in Schleswig-Holstein oder das Hamburger Rote Kreuz übernehmen die Kosten für ihre MitarbeiterInnen. Staatliche Träger bezahlen die Fortbildung aber nicht.

Regina Dieck findet das schade. Der Staat könnte in diesem Bereich ruhig mehr Geld ausgeben, sagt sie, auch für Forscherräume und Lernwerkstätten in den Kindertagesstätten. Dort könnten die Kinder selbst am besten lernen, wie man lernt. „Eben darauf“, sagt die Kursleiterin, „kommt es heute an.“

Mehr Infos unter www.natur-schafft-wissen.de, Anmeldungen für den laufenden Kurs sind noch möglich