Keine Illusionen: Filme von Fernando E. Solanas im 3001 und Metropolis
: Das Programm eines Kinos der Revolution

Kein geringerer als Außenminister Joschka Fischer war es, der auf der diesjährigen Berlinale die Laudatio auf Fernando E. Solanas hielt, anlässlich der Verleihung eines Ehrenbären für das Lebenswerk an den 68-Jährigen: „Er kennt den Weg von der Unterdrückung zur Freiheit... Er ist überzeugt, dass sich ein Künstler in der öffentlichen Sache einmischen muss“, hieß es in der Laudatio. Und sich einmischen, das tut Solanas in seiner jüngsten Arbeit Memoria del saqueo – Chronik einer Plünderung mit anscheinend ungebrochenem Eifer.

Den Anstoß, sich die argentinische Malaise in Form eines Dokumentarfilms vorzunehmen, gaben die Massenproteste, die im Dezember 2001 zum Rücktritt des Präsidenten De la Rua führten. Aber wie schon in Die Stunde der Hochöfen, der ihn 1967 mit einem Schlag zu einem Hauptvertreter eines sich als politisch verstehenden Kinos machte, begnügt sich Solanas auch hier nicht damit, die Kamera in die Hand zu nehmen und die Ereignisse des Tages zu filmen. Immer wieder richtet sich sein Blick zurück auf den verheerenden wirtschaftlichen Niedergang Argentiniens in den letzten zwei Jahrzehnten. „Wie ist es gekommen, dass Argentinien, diese Kornkammer der Welt, Hunger leiden muss? Wie konnte es geschehen, dass sich eine kleine Gruppe skrupelloser Politiker unermesslich bereichern konnte, während das Volk auf der Strecke blieb?“, fragt Solanas und rechnet vor: „Jedes Jahr sterben 35.000 Menschen an Unterernährung – mehr als während der acht Jahre Militärdiktatur.“

Um Antworten hat Solanas, der eng mit der Soziologin Alcira Argumendo zusammengearbeitet hat, außer die Menschen auf der Straße auch zahlreiche Fachleute gebeten. Kaum zu übersehen ist die erschreckende Verschwendung öffentlicher Gelder und die Korruption, die weder der Präsident Raúl Anfonsin in den 80er und schon gar nicht Carlos Menem in den 90er Jahren je in den Griff bekamen – so dass die finanzielle Aushöhlung des Landes im Zeichen von neoliberaler Politik und Globalisierung nahezu ungehindert ihren Lauf nehmen konnte...

Es ist bewunderswert, mit welcher Energie und welch unerschütterlicher Hoffnung auf eine Verbesserung der Verhältnisse Solanas filmt. Mit welcher Beharrlichkeit er seinen einst aufgestellten Prinzipien eines „Dritten Kinos“ – eines der Revolution, in Abgrenzung sowohl von Hollywood als auch des Autorenkinos – bis heute die Treue hält. Dass er sich dabei falschen Illusionen hingäbe, darum braucht man sich bei Solanas, der 1976 unter Morddrohungen für acht Jahre ins Exil ging und in den 90er Jahren als Parlamentsabgeordneter ein Attentat nur mit Glück überlebte, wohl am allerwenigsten zu sorgen.

Eckhard Haschen

ab Do, 21 Uhr, 3001; „Die Stunde der Hochöfen“: Do, 19 Uhr, Metropolis