Lasst uns tanzen: HipKlezmerHop

Beim zweiten Bremer Klezmerfest im Bürgerhaus Weserterrassen präsentiert sich die ganze Spannbreite der Klezmer-Musik: Traditionelles – gemischt mit Jazz und Rap, Pop und Ska. Statt der Fiedel dominieren Cello, Gitarre, Akkordeon und Klarinette

Es ist diese Mischung aus Melancholie und Fröhlichkeit, die in die Mitte des Herzens trifft. Und dann wieder die Zehen kitzelt mit beschwingten Tönen. Dieser androgyne Klezmer stammt aus Osteuropa, wurde an jüdischen Festtagen, bei Hochzeiten und auf Begräbnissen gespielt – und ist heute in den Popmusikmarkt integriert. Jede Klezmer-Band, jüdisch oder nicht, scheint auf der Suche nach Romantik – vorangetrieben durch die Sehnsucht nach einer verlorenen Welt, nach Heimat. Oder einfach auf der Suche nach guter Musik. Bis zum 31. Oktober präsentiert das Bürgerhaus Weserterrassen das zweite Klezmerfest. „Wir wollen die verschiedenen Stilrichtungen zeigen“, erklärt Stephan Pleyn, Geschäftsführer vom Bürgerhaus.

Auftreten wird zum Beispiel die Leipziger Band „Chelesta“. 1999 entdeckte sie den Klezmer für sich. „Das kannten wir nicht, das war neu, das fanden wir toll. Wir sind noch auf den Zug des Klezmer-Booms raufgesprungen – und gleich einen Wagon weiter gegangen“, erzählt Akkordeonspielerin Birgit Fleischfresser. Die fünf MusikerInnen mischten den Klezmer mit Ska, Jazz oder HipHop auf. Die Musikstücke bezeichnen sie als „future traditionals“. Mit hohem Tempo preschen „Chelesta“ voran und fordern vom Publikum: Sitzen gilt nicht, es soll getanzt werden.

Enger am traditionellen Klezmer orientieren sich „Rada Synergica“, auch aus Leipzig. Die drei Frauen haben auf eine Fiedel verzichtet, setzen auf Cello, Gitarre, Akkordeon und Klarinette. Und vor allem auf ihre Stimmen. Sie singen ironisch-witzige Lieder mit einem Tick Melancholie. Auf Bulgarisch, Jiddisch oder Kroatisch. Ihr Programm ist klar: „Wir spielen Klezmer und osteuropäische Musik.“

Doch der lockere Umgang mit Klezmer und der jüdischen Tradition stößt auch auf Kritik. Vor allem, weil sich ausgerechnet nichtjüdische Deutsche der historischen Festmusik der Ostjuden annehmen. Elvira Noa, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Bremen, spricht von „Pseudoklezmer“. Natürlich könne jeder spielen, was er wolle. „Aber man spürt: Es ist nachgemacht, ohne Substanz. Hier eignen sich Leute eine Identität aus Nostalgie-Sehnsucht an, die nicht ihre ist.“

Die Klezmer-Bands sind sich ihrer Aufgabe durchaus bewusst. „Es wäre anmaßend, würden wir behaupten, traditionellen jüdischen Klezmer zu spielen“, sagt Stefanie Koch von „Rada Synergica“. „Denn dafür fehlt uns einfach der Hintergrund.“

Wenn Klezmer nur von jüdischen Musikern gespielt werden dürfe, da sind sich die Mitglieder von „Chelesta“ einig, „dann würde das auch bedeuten, Blues und Jazz darf nur von Schwarzen gespielt werden.“ Und außerdem: „Musik ist kein Eigentum.“ Ganz bewusst verzichten „Chelesta“ auch darauf, „religiöse Lieder zu spielen“. Ihr Ziel definieren sie ganz profan: „Wir wollen unser eigenes Ding machen, Spaß haben, und die Leute sollen Spaß haben.“

Und so ist der Klezmer durch „Chelesta“ oder „Rada Synergica“ in seiner veränderten Form wieder da, wo er einst war: auf den Tanzflächen. Anna Postels