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Ein alter Bekannter kehrt zurück

Michael Howard, Minister unter Thatcher, wird Chef der britischen Konservativen. Fragt sich nur, wie lange er bleibt

Das muss den Tories erst mal jemand nachmachen. Da werfen sie ihren Parteiführer Iain Duncan Smith hinaus, weil er zu blass war, dann wählen sie einen Nachfolger, der bei den Wählern noch weniger ankommt. Als die Kandidatenliste für die Parteiführung gestern Mittag geschlossen wurde, blieb Michael Howard der einzige Kandidat. Der Rest ist nur noch Formsache. Howard ist der dritte Tory-Chef in drei Jahren und der erste jüdische Parteiführer in Großbritannien.

Die Tories wollen jetzt Einigkeit demonstrieren, doch in den Umfragen ist die Partei seit Howards Kandidatur weiter abgesackt. Schließlich ist der 62-Jährige kein Unbekannter. Die Politik, die er als Rechtsaußen der Tory-Regierung betrieben hat, ist vielen in unguter Erinnerung.

Howard, dessen Vater 1939 aus Rumänien nach Wales geflohen war, gehörte der „Cambridge-Mafia“ an, aus der auch vier weitere Tory-Minister hervorgegangen sind. Howard studierte Jura und ging erst relativ spät in die Politik. Seit 1983 ist er Abgeordneter für Folkestone in Südengland, 1989 holte ihn die damalige Premierministerin Margaret Thatcher ins Kabinett – als Belohnung dafür, dass er als Staatssekretär zwei heftig umstrittene Maßnahmen durchgesetzt hatte: die Kopfsteuer und die Wasserprivatisierung. Howard dankte es seiner Gönnerin schlecht. Schon 1990 forderte er sie dazu auf, den Hut zu nehmen.

Unter Thatchers Nachfolger John Major wurde Howard Innenminister und verfolgte eine Law-and-Order-Politik, die selbst vielen Parteigenossen zu drakonisch war. Während seiner Amtszeit kam es in den Gefängnissen zu Unruhen, immer mehr Selbstmorden und einem spektakulären Ausbruch. Howard befahl daraufhin dem Chef der Gefängnisbehörde, Derek Lewis, den Anstaltsdirektor zu entlassen. Danach entließ er Lewis.

In einem legendären Fernsehinterview wurde Howard vierzehnmal gefragt, ob er die Entlassung des Direktors angeordnet hatte. Vierzehnmal drückte sich Howard um eine Antwort. Der Entlassene starb drei Jahre später. Seine Witwe gibt heute noch Howard die Schuld. „Er hat meinen Mann zum Sündenbock gemacht und seine Karriere und sein Leben zerstört“, sagt sie. „Sollte er jemals Premierminister werden, packe ich meine Sachen und verlasse das Land.“

Das wird kaum nötig sein. Howard behauptet zwar, er stehe heute in der politischen Mitte. Aber er ist nach wie vor gegen Homosexuelle, gegen den Euro, gegen den Mindestlohn. „Wir müssen nach vorne schauen, nicht zurück“, erklärte Howard vorige Woche auf seiner Pressekonferenz in der Londoner Saatchi-Galerie für moderne Kunst. Sein Rednerpult hatte man ausgerechnet neben die Skulptur „Verlogene Fotze“ gestellt.

Obendrein ist Howards Wahlkreis keine Hochburg der Partei. Ein geringer Umschwung würde ausreichen, und Howard verlöre sein Mandat. Die Tories stünden mit einem Parteiführer da, der keinen Unterhaussitz hat. Dann heißt es wieder: Der Nächste, bitte. RALF SOTSCHECK

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