Der Krieg in Aceh wird verlängert

Indonesiens Regierung verlängert in der nach Unabhängigkeit strebenden Provinz Aceh das Kriegsrecht um sechs Monate. Die separatistischen Rebellen sind längst nicht besiegt. Menschenrechtler befürchten derweil neues Leid für die Zivilbevölkerung

von SVEN HANSEN

Die Offensive des indonesischen Militärs gegen die separatistische Rebellenbewegung Freies Aceh (GAM) in der Provinz im Norden Sumatras wird um ein halbes Jahr verlängert. „Die Regierung hat beschlossen, das Kriegsrecht in Aceh zu verlängern“, sagte Sicherheitsminister Susilo Bambang Yudhoyono gestern nach einer Kabinettssitzung in Jakarta. „Die Militäroperation wird fortgesetzt.“

Seit dem 19. Mai kämpfen rund 40.000 Soldaten und Polizisten in der öl- und gasreichen Provinz gegen etwa 5.000 GAM-Rebellen. Als der fünfmonatige Waffenstillstand von der Regierung beendet wurde, verkündete das Militär vollmundig, die seit 1976 mit Waffengewalt kämpfende GAM in sechs Monaten auszuschalten. Jetzt ist die Verlängerung des Kriegsrechts das Eingeständnis, dass die Offensive in der Region mit 4,3 Millionen Einwohnern keinen Durchbruch brachte. Laut dem Sicherheitsminister wird das Kriegsrecht künftig monatlich überprüft.

Der im Stockholmer Exil lebende GAM-Führer Hasan de Tiro sagte laut AP gestern, die Regierung schlage den falschen Weg ein. Er forderte die Vereinten Nationen auf, sich in den Konflikt einzuschalten. „Sie sollten was machen“, so de Tiro, dessen Streben nach Unabhängigkeit Acehs kein Staat unterstützt.

Mit der Verlängerung des Kriegsrechts ignorierte die Regierung einen Appell der staatlichen Menschenrechtskommission und von 23 Menschenrechtsorganisationen. Laut der Kommission starben bei der Offensive bisher 316 Zivilisten, 117 wurden verletzt und 108 werden noch vermisst. „Die Fortsetzung der Kämpfe führt nur zu weiteren zivilen und militärischen Opfern, Vertreibung und weit verbreiteter Zerstörung von Existenzen und Eigentum“, erklärten die 23 Organisationen. Die Offensive steigere nur das Misstrauen der Acehnesen gegenüber Jakarta. Die Menschenrechtler sehen keine Alternative zu Verhandlungen und widersprechen der Behauptung der Regierung, die Acehnesen wünschten das Kriegsrecht. Und ein von der Regierung im Mai mit der Militäroffensive verkündeter Großeinsatz staatlicher Wohlfahrtsorganisationen in der Provinz sei nur Augenwischerei.

Laut Armee wurden seit Mai rund tausend Rebellen getötet. Zugleich räumen die Militärs ein, nur etwa halb so viel Waffen erbeutet zu haben. Das werten Beobachter als Indiz, dass viele Getötete wohl keine Rebellen waren. Die Zahl getöteter Soldaten und Polizisten wird mit 67 angegeben. 151 Personen, darunter auch zwei TV-Journalisten, sollen gegenwärtig noch von der GAM gekidnappt sein.

Die Regierung erschwert eine unabhängige Berichterstattung über den Konflikt. Acehs Journalisten unterliegen der Militärzensur. Korrespondenten aus Jakarta werden nach US-Vorbild bei der Armee „eingebettet“ und können oft nur aus deren Perspektive berichten. Ausländischen Korrespondenten und internationalen Hilfsorganisationen wird der Zugang nach Aceh so gut wie verwehrt. In dem Konflikt starben seit 1976 über 12.000 Menschen.