Der Udo guckt mal in Marzahn vorbei

Die professionelle PR-Arbeit der Bands im Marzahner Orwo-Haus zahlt sich aus. Sie bekommen prominente Unterstützung: Panikrocker Lindenberg und Kultursenator Flierl waren schon da, demnächst kommt vielleicht sogar Bundespräsident Köhler

VON OLIVER TRENKAMP

Ein Treffen von Politik und Showgeschäft sorgte am Mittwoch Abend für für eine skurrile Szenerie: laute, harte Rockmusik, gespielt von Jugendlichen in zerrissener Kleidung. Ein enger Raum, der so aussieht, als würde er von den Postern an den Wänden zusammengehalten. Dutzende Fotografen und Kamerateams drängeln und schubsen. Dazwischen wippen ein Schlapphut und eine Hinterkopfglatze auf gleicher Höhe im Takt.

Der Schlapphut gehört dem Panikrocker und Pop-Bürokraten Udo Lindenberg, der zuletzt mit seiner Forderung nach einer Quote für deutsche Musik im Radio für Aufsehen sorgte. Er sagt Sätze wie „Sehr geiler Groove hier und so“, „Spitzen-Bands hier und so“ und gibt das Motto des Abends aus: „Keiner schmeißt hier keinen raus aus dem Orwo-Haus“ – ohne „und so“.

Die kahle Stelle am Hinterkopf gehört zu Kultursenator Thomas Flierl. Der schwärmt von der „tollen Begegnung“ und der „tollen Atmosphäre“. Beide sind nach Marzahn gekommen, um die Bands zu unterstützen. Der Besuch des ungleichen Paares ist der bisherige Höhepunkt einer überraschend professionellen Kampagne von Nachwuchsmusikern, die weiterhin in dem Plattenbau proben möchten.

Der Hintergrund: Seit über fünf Jahren haben etwa 80 Bands in dem Industriegebäude ihre musikalische Heimat – vom Klavier spielenden Musikstudenten bis zur grölenden Punkband. Hier zahlen sie nur knapp 3 Euro Miete pro Quadratmeter – so günstige Proberäume gibt es sonst kaum noch in Berlin. Früher stellte das DDR-Kombinat Original Wolfen (Orwo) hier Farbfilme her. Der Vermieter TLG Immobilien, eine Treuhandnachfolgerin, kündigte den Bands vor wenigen Monaten außerordentlich – wegen Brandschutzmängeln (die taz berichtete). Die Bands protestierten, gründeten einen Verein und starteten Aktionen zur Rettung ihres einzigartigen Hauses.

Zuerst gab es nur kleinere Soli-Konzerte auf dem Gelände. Dazu kamen Kurzdemonstrationen, bei denen schon mal der Verkehr auf der nahen Landsberger Allee lahm gelegt wurde. Die Musiker schlossen sich in einem Verein zusammen und betreiben bis heute offensiv Pressearbeit. Mittlerweile haben alle wichtigen Zeitungen der Stadt über die laut Eigenwerbung „lauteste Platte Berlins“ berichtet.

Auf politischer Ebene fordern die Musiker vom Bezirk, sich für das Haus stark zu machen. Jetzt ist das Orwo-Haus schon auf Senatsebene angekommen. Kultursenator Flierl hat sich in die Verhandlungen mit dem Vermieter eingeschaltet. Geplant ist eine Übergangslösung: Die Gesellschaft für Stadtentwicklung (GSE) übernimmt als Zwischennutzerin das Gebäude und schließt einen Mietvertrag mit dem Orwo-Verein ab. Ein halbes Jahr wäre dann Zeit, eine langfristige Lösung zu entwickeln. „Wir kaufen uns sechs Monate Zeit“, so Flierl. Udo Lindenberg findet: „Ein smarter Plan und so.“ Heute entscheidet sich bei Gesprächen zwischen TLG und GSE, ob das klappt.

Hinter der immer erfolgreicher werdenden Kampagne der Orwo-Bands steht Andreas Otto. Er ist zwanzig Jahre alt, hat im April seinen Zivildienst beendet und bereitet sich eigentlich auf ein Schlagzeug-Studium vor. Seit knapp einem Jahr proben er und seine Band „Dropped“ selbst im Orwo-Haus. Jetzt ist er der Pressesprechers des Orwo-Vereins. „Eigentlich bin ich nur Musiker“, sagt er, „vorher hab ich noch nie Pressearbeit gemacht.“ Das überrascht. Schließlich läuft alles höchst wirkungsvoll. Von der Internetseite bis zum Spendenkonto – alles ist durchorganisiert.

Dem jungen PR-Talent hilft aber auch, dass alle politischen Richtungen im Bezirk hinter dem Projekt stehen. So hat der jugendpolitische Sprecher der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Sebastian Czaja (CDU) dem Bundespräsidenten einen Brief geschrieben und ihn ins Orwo-Haus eingeladen. Anfang nächsten Jahres wird Horst Köhler kommen, hofft Czaja. Noch nichts steht fest, sagt das Bundespräsidialamt. Der Medienrummel wird also nicht abebben. Udo Lindenberg nutzte die Gelegenheit, um sein eigenes Berliner Konzert „30 Jahre Panikorchester“ anzukündigen. Drei Bands aus dem Orwo-Haus sind mit dabei. So haben alle was von der PR-Aktion. Und so.