Gezänk um den Rückzieher

CDU schiebt Schuld für Koalitionsabsage den Grünen zu: Die hätten jedes Angebot ausgeschlagen. Fraktionschefin Klotz hingegen hält der Union vor, sich nicht wirklich um Bündnis bemüht zu haben

VON STEFAN ALBERTI

Mit Häme reagiert die Grünen-Landesspitze auf die Absage eines schwarz-grünen Bündnisses durch Fraktionschef Nicolas Zimmer. „Wat denn nu, Herr Zimmer?“, höhnten gestern die Landeschefs Almuth Tharan und Till Heyer-Stuffer. Schließlich habe Zimmer noch vor zwei Wochen für eine Koalition geworben. „Ich laufe den Grünen nicht hinterher, irgendwann ist die Zeit der Angebote vorbei“, konterte Zimmer gegenüber der taz. Diese Sicht verwunderte Grünen-Fraktionschefin Sibyl Klotz: „Was für Angebote? Ich kenne gar kein Angebot.“ Zimmer habe sich nie um ein Gespräch mit ihr bemüht.

Am Mittwoch hatte der CDU-Mann erklärt, er könne sich „inzwischen“ kein Bündnis mehr mit den Grünen nach der Abgeordnetenhauswahl 2006 vorstellen. Inzwischen? Zimmers letztes Werben für Schwarz-Grün datiert gerade mal vierzehn Tage zurück. Welche Laus also war ihm inzwischen über die Leber gelaufen? „Die Laus in Gestalt von Frau Klotz und Herrn Ratzmann [grüner Co-Fraktionschef, d. Red.]“, sagte Zimmer. Er wolle es nicht länger hinnehmen, dass die schon allein den Ansatz gemeinsamer Überlegungen ablehnen würden. Die Absage für 2006 sei „ein freundlich gemeinter Hinweis“, einen solchen Umgang nicht hinnehmen zu wollen.

Nach einer jüngsten Forsa-Umfrage läge die CDU (27 Prozent) zwar weiter vorn, wenn jetzt Abgeordnetenhauswahl wäre. Ihren Mitte August noch 13 Prozentpunkte großen Vorsprung auf die SPD (26 Prozent) aber hat sie bis auf 1 Punkt verspielt. Eine große Koalition kommt für Zimmer nur mit einer SPD ohne den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit in Frage. Der kann sich nach Zimmers Absage entspannt zurücklehnen: Allein mit der FDP (8 Prozent) bringt es die CDU nur auf 35 Prozent, mit den Grünen (17 Prozent) wäre sie zumindest in die Nähe einer Mehrheit im Abgeordnetenhaus gekommen.

Klotz wies Zimmers Kritik an ihr und Ratzmann scharf zurück: Obwohl die CDU in den vergangenen Wochen viel Anlass zu Spott gab, hätte sie sich damit zurückgehalten. Zudem habe sie im Unterschied zu Zimmer ihre Ansicht nicht geändert. Sie schließe Schwarz-Grün weiterhin nicht aus, aber es müsse bei der CDU eine ganze Reihe von Veränderungen geben. Klotz kritisierte vor allem den innenpolitischen Sprecher Frank Henkel, den sie als Scharfmacher bezeichnete.

Ende vergangenen Jahres hatte Klotz ein schwarz-grünes Bündnis als gleichrangige Option zu einer rot-rot-grünen Koalition eingeordnet. Auch gestern betonte sie, Rot-Rot sei „nicht überall der natürliche Andockpunkt für die Grünen“. Zimmer aber habe nichts für Schwarz-Grün getan, als in Interviews darüber zu sprechen und jüngst einen Artikel dazu zu schreiben. „Ich habe mit mehreren CDUlern gesprochen“, sagte Klotz. „Die hatten sich um ein Gespräch bemüht haben – Herr Zimmer hat das nicht getan.“

Klotz sieht hinter Zimmers Absage anderes als einen Meinungsumschwung. Offensichtlich habe CDU-Bundeschefin Angela Merkel die Berliner CDU zurückgepfiffen und einen Lagerwahlkampf Schwarz-Gelb gegen Rot-Grün angeordnet. Abgeordnetenhaus und Bundestag werden im 2006 am gleichen Tag gewählt, Wahlkampf für unterschiedliche Konstellationen gilt als schwierig.

CDU-Generalsekretär Gerhard Lawrentz hingegen vermutet genau eine solche Strategie bei den Grünen. Die, so konstruiert er, hätten von ihrer Bundesspitze Order bekommen, bis hin zur Bezirksverordnetenversammlung auf Abstand zur CDU zu gehen. „In letzter Zeit rücken die Grünen wie verzweifelt von uns weg und äußern sich abfällig über uns.“ Zimmers Absage sei nur eine Reaktion darauf.

Lawrentz bedauerte, dass nicht länger Exsenator Wolfgang Wieland die Grünen-Fraktion führt. „Mit dem konnte man sich das vorstellen“, sagte er. Die Grünen müssten sich bewegen, „sonst bleiben sie der Aufwischlappen der SPD“. Bewegen? „Nicht wir haben die Tür zugeschlagen“, sagt Fraktionschefin Klotz, „das war die CDU.“