„Ich hab’s geschluckt“

In „Erbin mit Herz“ (20.15 Uhr, ARD) sehen wir Freddy Quinn. Als Nachtwächter. Und als Freddy Quinn. Ein Gespräch über Missverständnisse

INTERVIEW JAN FREITAG

taz: Herr Quinn, wo fühlen Sie sich am wohlsten?

Freddy Quinn: Na, in meiner Haut.

Und wo sollte die sein?

An einem Menschen, der Manfred Quinn heißt und 73 ist.

Wer Freddy Quinn hört, denkt sofort an Hamburg.

Ich bin ja auch aus Hamburg. Ich bin da gezeugt, habe meine Karriere da begonnen, hatte meine große Zeit. Ich liebe Hamburg und habe nur sehr kurz in Wien gelebt, mit vier. Und dann vier Jahre in Amerika. Nach sechs Monaten konnte ich besser Englisch als mein Vater. Der: „Well, I am American.“ Ich sagte: „Hey man, what the hell are ya talkin about? I’m from West Morgan Town, Virginia.“ Aber Sie wollen sicher nicht so weit zurückblicken.

Reden wir von „Erbin mit Herz“. Sie zeigen darin Hamburgs Herz.

Das kann man wohl sagen: den Hafen. Ich lebe in Hamburg, bin Nachtwächter und gar kein Seemann. Das kommt im Film überhaupt nicht raus.

Aber der Nachtwächter Hans Ottensen liest die Seekarte …

Na ja, wer in Hamburg wohnt und mal mit Seeleuten zu tun hatte, der kann so was offenbar.

Und gerade Sie müssen das in einer Rolle beherrschen.

Ja sicher. Ich hab mich dazu bekannt. Aber der einzige Grund, dass ich die Rolle gespielt habe, war der gute Zweck, zu zeigen, wie frevelhaft es ist, die Umwelt weiter zu zerstören.

Durch illegale Verklappung, laut Drehbuch.

Ja. Dass das gefährlich ist, muss jeder Idiot wissen. Aber die Rolle hat sonst mit Meer nichts zu tun. Einen schrulligen Nachtwächter wollte ich spielen – und das Einzige, worüber ich nicht erfreut bin, ist, dass sie mich überredet haben, am Ende dieses Lied zu singen.

Von der Großen Freiheit.

Mit der falschen Voraussetzung, das sie es zu 80 Prozent nicht senden wollten. Das war also Scheiße. Verzeihen Sie das Wort, aber dazu steh ich.

Sie können die alten Lieder nicht mehr hören?

Doch, aber nicht in diesem Zusammenhang. Ich habe in der Arztserie „In aller Freundschaft“ eine wunderbare Rolle gespielt. Da haben sie mich nicht genötigt, zu singen. So zur Sicherheit: Wenn er nicht ankommt als Schauspieler, vielleicht kann er mit diesem blöden Lied die Sache noch retten.

Liegt das nicht daran, dass man von Freddy einfach ein Seemannslied erwartet?

Nein, das ist Verlade. Aber ich hab’s geschluckt und wurde so genötigt, dass ich nicht noch mehr Krach machen wollte. Widerwillig.

Wenn Sie schon den Film werten: Was ist Ihre Lieblingsszene?

Oh Gott. Also, als ich mitten am Tag im Pyjama verschlafen aus der Kajüte komme und mich keiner erkennt.

Haben Sie selber mal auf einem Schiff gewohnt?

Um Gottes Willen, nein!

Aber Ihre Beziehung zum Wasser ist intakt?

Ja, hervorragend, aber nicht als Seemann. Das bin ich nie gewesen. Wenn Sie das glauben, können Sie auch zu Dr. Brinkmann gehen und sich den Blinddarm rausnehmen lassen.

Wie kam es dann zu dieser Symbiose mit dem Meer?

Das ist ein Scheiß von den Medien. Weil ich in Hamburg wohne und das liegt für die meisten im Süden direkt an der Nordsee. Gut, nun habe ich 600-mal das Musical „Heimweh nach St. Pauli“ gespielt. Aber meine Lieblingsrolle war der Zirkusdirektor Obolski. Die hat mir weitaus mehr gelegen, weil ich Artist bin. Und er sagt ja auch „von der Pike auf hab ich gedient, habe Schwerter geschluckt und Feuer gefressen. Heute seht mich an: Direktor, eines erstklassigen Unternehmens. Obolski.“ Das ist die Rolle, die mir Spaß macht. Ich hab mir von Loge zu Loge im Theater des Westens ein Seil spannen lassen, bin mit der Stange rüber gelaufen, ohne Lounge, ohne Sicherheit, und hab „Oh mein Papa“ gesungen. Dann bin ich der einzige Deutschsprachige, der in London acht Monate ein Stück gespielt hat. In Englisch. Wo zuerst 50 Leute in einem Saal für 2.000 waren. Als ich zur ersten Probe auf die Bühne ging, kommt der Regisseur und sagt „Oh dear, could you stop your terrible American accent.“ Dann musste ich den ganzen Scheiß Tag und Nacht bis vier Uhr morgens studieren, und um zehn war schon die nächste Probe. Als ich wegging, waren 1.800 Leute im Saal. Ohne Reklame. Oh, sehen Sie, wenn ich mal anfange zu erzählen. Warum stoppen Sie mich nicht?

Also stopp! Welches Etikett stört Sie am meisten – „Schlagerstar“?

Ich bin kein Schlagerstar. Es gibt doch gar keine Berufsbezeichnung Schlager, es gibt die Berufsbezeichnung Sänger. Ich habe zwei Jahre Gesang studiert und zwei Schauspiel. Das Etikett kommt nicht von mir, das kommt auch nicht vom Publikum. Wenn Sie jeden fragen: Der ist Sänger, Schauspieler, hat Filme gemacht, Fernsehen gemacht, Zirkusartist, alles. Das weiß das Publikum. Wenn Sie jetzt Schlagersänger schreiben, bin ich schon mit Herpes behaftet. Ein blöder Ausdruck. Wissen Sie, warum ich keine Prüfung gemacht habe?

Worin jetzt?

Na, für Gesang und Schauspiel. Weil da etwas Blödes dazwischenkam.

Was denn?

Mein Erfolg.