Frauen, verehrtes Fieber

Prunksters (5) – die wöchentliche Kolumne aus den USA von Henning Kober. Heute: Blake und Glenn Close

Überraschend stellt das Leben an manchen Tagen ganz ungeheuerliche Forderungen. Zum Beispiel an einer verstopften Kreuzung in Chelsea seine Verabredung zu entdecken. „Dreh den Kopf nach links, dann einfach geradeaus“, versuche ich einen Wink übers Telefon. Und natürlich läuft, rennt Blake, der gerade auch wegen dieser lebensabgewandten Verträumtheit ein gewaltiger Prunkster ist, sofort gegen das rote Licht über den falschen Zebrastreifen. Zwei Taxis hupen ohne zu bremsen. Sein roter Schal flattert im Wind. Nach einer langen Weile: „Hi there“.

Unter den Arm seines schwarzweiß karierten Jacketts geklemmt eine Stalin-Biografie. Auf der Stirn etwas Seiden-Schweiß. „Aus meinem Bett ist heute Morgen eine alte Frau aufgestanden“, entschuldigt sich der 21-Jährige, graue Höhlen unter den Augen. Sein Körper so zitterdünn, dass ihm fremde Frauen im Central Park ihren Nerz andrängen wollen. Sowieso die Frauen, sie sind Blakes verehrtes Fieber. Den Stalin liest er für Sowjetona. Heroin einer im Gulag lebenden Familie und die Hauptperson des Drehbuches, an dem er in der Nacht schreibt, Marschmusik im Ohr. Jetzt erzählt er hochgestimmt von Sybille Schmitz, ehemals UFA-Star, in der jungen Bundesrepublik von einer kühlen Nervenärztin mit Morphium in den Tod therapiert. Fassbinder hat ihr unter dem Namen Veronika Voss mit seinem besten Film einen Stein gesetzt. Blake, der in Neuseeland geboren wurde, wo seine Eltern den Nachtclub „The Powerhouse“ betrieben, spürt seinem verwunderten Interesse am weiblichen Geschlecht aber auch so nach: „Wusstest du, dass Frauen den Höhepunkt ihrer sexuellen Leistungsfähigkeit mit 32, also 14 Jahre später als Männer, erreichen? Ein ziemlich aufregendes Drama“, stellt er fest. In diesem Moment stehen wir vor der „Daniel Reich Gallery“, in der wir uns die verhexten Synthesizer der Performancekünstler Delia Gonzales und Gavin Russom anschauen wollen.

Aus der Türe rennt eine Frau in ihren Mann. Es ist Glenn Close, ihr blass-blondes Haar kürzer ans markante Gesicht gelegt, rosa auf den Backen. „Der erste Rolls Royce des Tages“, freut sich Blake. Später, wir sitzen im „Pastis“, gerade fertig mit dem Dinner, schreckt ihn ein Uhrblick. Er entschuldigt sich, stürzt auf die Straße, einem Taxi in den Weg. In Kürze beginnt „Nocturnal Admission“, seine wöchentliche Call-in-Show im College-Radio. Das Thema heute: Lähmungssymptome älterer Frauen.

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