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Aus dem Ameisenhaufen

Wo Dub nicht mehr Dub, Elektronik nur ein Hilfsmittel und HipHop gerade noch zu erahnen ist: Das sind Bus alias Daniel Meteo und Tom Thiel. Heute Abend spielen sie beim Marke-B-Festival

von CHRISTOPH BRAUN

Eigentlich ist Dub ein Käfer: Symbol des Altertums und der Langsamkeit. Denn Dub ist steinalt, seine Bässe schlagen in Pulsschlagfrequenz. Und wo das Panzertier leicht autistisch wirkt, interessiert sich auch Dub nicht weiter für die Außenwelt und berauscht sich lieber an psychoaktiven Effekten.

Die Instrumentals von Bus weisen durchaus noch Spuren der Idee Dub auf. Doch wer fünf Jahre lang nur Reggae und Verwandtes aufgelegt hat, und wer – wie Daniel Meteo – das Label Meteosound für aktuellere Dub-Interpretationen betreibt, die eine Hälfte des Berliner Duos Bus, der geht differenziert um mit einer derart monolithischen Vokabel aus der Musikgeschichte.

„Ich glaube, Dub ist ein Ersatzbegriff für vieles geworden“, blinzelt der jungenhafte Medienprofi vor der Ankerklause in Kreuzberg in den goldenen Herbst. Hier treffen er und sein Kollege Tom Thiel sich zum Interview. „In den USA wären wir eher ‚Backingtrack-Produzenten‘. Man lässt den Track offen. Wenn noch Stimmen drüber wollen, okay. Wenn nicht, dann eben nicht.“

Beim Hören von „Middle Of The Road“, der soeben auf dem Berliner ~scape-Label veröffentlichten Debüt-LP, wird deutlich, was Meteo und Thiel unter der beschworenen „Offenheit“ verstehen. Die Instrumentals wirken so lebendig wie abgeschottet. In ihrem Innern scheint es vor Kleingetier nur so zu wimmeln: Alte Erde, gut durchgeackert.

Bei Bus gleicht der alte Dub also eher einem Ameisenhaufen denn einem Käfer: Manchmal bleiben noch Reste stehen wie der Offbeat, ganz selten wie etwa in „Come / Do / Move“ verirren sich sogar Delays in die akustischen Landschaften. Doch Bus vertrauen nicht blind dem geilen Bass. Ihre Tracks verzichten ganz auf Zentren. Stattdessen wirkt Bus-Musik wie aus Details zusammengepuzzelt, für die wohl Pinzette und Mikroskop notwendig sind, so kleinteilig wirken sie, die akustischen Spurenelemente auf „Middle Of The Road“.

Und doch bezeugt gut ein Drittel der Tracks auf „Middle Of The Road“, dass da noch genug Platz für eine Stimme ist. Wenn nämlich die in Glasgow lebende MC Soom-T ihre Reime streut, in einem seit den frühen Neunzigern, seit Monie Love und Neneh Cherry beinah vergessenen Stil des Sprechgesangs. „Auf die sind wir durch Thomas Fehlmann gestoßen“, berichtet Daniel Meteo. „Der spielte Soom-T’s Gruppe namens Monkeytribe in der Ocean Club Radio Show.“

Meteo und Thiel sind beide Mitglieder des Ocean Club. Und so war der Weg nicht weit, den die Demo-CD wandern musste: Meteo legt mit auf, wenn der Ocean Club auf Partys in Erscheinung tritt. Und Thiel hat die Website des Clubs programmiert.

Der Kontakt zu Fehlmann kam über die schweigsame Hälfte von Bus zustande. Mitte der 80er-Jahre verdiente sich Blondschopf Thiel seine Brötchen in einem Kaff mitten in der Fränkischen Schweiz. Das Studio dort zog dank seiner technischen Ausstattung Marc Almond und das Electric Light Orchestra an, und irgendwann auch Fehlmanns Band Palais Schaumburg. „Sie nahmen dort ihre letzte Single auf“ erinnert sich Thiel. „So habe ich Thomas Fehlmann kennen gelernt.“

Sie sollten sich im Berlin der Neunzigerjahre wieder treffen: Thomas Fehlmann gründete irgendwann den Ocean Club. Thiel war kurz Teil eines Industrial-Projekts mit Majordeal, bevor er mit den ambientösen Klängen von Sun Electric vor allem im Ausland bekannt werden sollte.

Irgendwie trifft das Bild vom Ameisenhaufen also nicht nur auf die Musik von Bus zu, sondern auch auf die Gesellschaft von Freunden und Kolleginnen, zu der Bus in Berlin gehören. Viele machen vieles, und die Wege kreuzen sich ständig. So verdient Daniel Meteo sich den Lebensunterhalt mit seiner Veranstaltungsagentur Flow.er. Aktuell ist es das Großereignis der Berliner Club-Labels marke B, wofür Flow.er die Organisation von Technik, Plakaten, und allem jenseits des künstlerischen Aspekts übernommen hat. Heute Abend stehen Bus auch selbst auf der Bühne des WMF. Doch das sei eher Zufall, wirft Meteo ein: „Wir sind eben die aktuelle Veröffentlichung unseres Labels, deshalb spielen wir da.“

Bei allem Involvement stehen Bus dem Musikgeschehen in der Stadt nicht kritiklos gegenüber. So verstehen sie „Middle Of The Road“, den Titel ihres Albums, als Statement: „Alles ist so streng“ befindet Meteo. „Minimal Techno etwa, das ist eine Nische, in der man alles richtig oder alles falsch machen kann. Da finde ich Sean Paul oder Missy Elliot interessanter. Denn: In der Mitte der Straße kann man nach links und nach rechts fahren.“

Bus mit Special Guest MC Soom-T: Middle Of The Road (~scape/ Indigo/ Hausmusik) beim Marke-B-Festival: Heute, 21.30 Uhr, WMF/ Café Moskau

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