christoph schultheis
: Es blubbert und bubbelt

Bei der „Bild“-Zeitung geht der Trend zum Sprechblasenjournalismus. Jetzt auch optisch

Jeder kennt sie. Diese eiförmigen, weißen Dinger mit einer kleinen, dornartigen Ausformung. In den weißen Dingern ist Schrift.

In Comic-Heften sind sie relativ häufig anzutreffen, diese Sprechblasen, gelegentlich auch in der Foto-Lovestory, wo sie schon immer recht seltsam aussahen. Und billig. In die weißen Dinger mit dem Dorn passt stets nur eine begrenzte Textmenge, derentwegen unsere Eltern und Elterseltern nicht gut zu sprechen waren auf die schlichten Sprechblasenpublikationen in unseren Kinderstuben.

Das alles muss gesagt werden, weil in letzter Zeit auch Deutschlands bekannteste Boulevardzeitung auffällig häufig auf die Comicblasen zurückgreift. Ist es nicht so? Nein? (Und was ist dann beispielsweise mit der Ausgabe von Mitte dieser Woche, Seite 11, über eine verpfuschte Brustverkleinerungs-OP, wo es aus dem Mund der barbusig abgebildeten Julia „Oh, nein, jetzt ist er zu klein!“ bubbelt? Oder eine Woche zuvor, am 28. Oktober, Seite 4, bei dieser „Lesben-Sex“-Geschichte, wo die Schauspielerinnen Katja Flint und Natalia Wörner ebenfalls zwei Ovale vors Gesicht montiert bekamen? Was war am 17. Oktober, Seite 14, bei diesem Streit zwischen den Schwestern Inge K. und Christiane S.? Sagt Christiane S.: „Ich bring dich in die Irrenanstalt!“ Darauf Inge K.: „Du Schlampe, du Ehebrecherin!“ War’s nicht so? Und dann gab’s diese Hunde-Erbgutmeldung, zu deren Illustration die Zeitung der Millionärin Ivana Trump den Satz „Das ist ja wohl zum Bellen!“ in den Mund legte. Von den kürzlich bloß „Blablabla“-blubbernden Politikern auf Seite 1 ganz zu schweigen. Seufz.)

Lauter Hingucker sind das, keine Frage! Und so praktisch, weil da plötzlich auch Sachen in so eine Sprechblase passen, die nie einer gesagt hat, gell? Aber mal abgesehen von ihrer ebenso unbestrittenen wie umstrittenen Meinungsmacht war die Bild-Zeitung ohnehin noch nie so verspielt, so albern, so wenig ernstzunehmen wie heute – genauer gesagt, seit ihr Chef Kai Diekmann heißt. Ist es nicht so? Nein?

Sollte jedoch die Comicwerdung des Blattes weiter voranschreiten, hat die Vorstellung, dass sich künftige Generationen in ihren Kinderzimmerchen kichernd hinter der Bild-Zeitung verschanzen, etwas ungemein Tröstliches.