Allons, Enfants

Europa, weil‘s nahe liegt: „Image Aiguë“ spielt auch mit Bremer Kindern

Der Palästinenser Rohi und der Kameruner Franck streiten sich. Ein arabisch-französisches Kauderwelsch. Rohi droht zu unterliegen, da ruft er schnell Tobias zur Hilfe. Der Drittklässler stürmt auf die Bühne und vertreibt Franck.

Die Schauspieler, die hier mit Bremer Kindern arbeiten, gehören zur französischen Theatergruppe „Image Aiguë“. „Wir möchten Kinder aus schwierigen Stadtteilen mit Menschen aus anderen Ländern zusammenbringen“, erklärt Regisseurin Christiane Vericel. Die gemeinsame Theaterarbeit solle das Selbstwertgefühl der Kinder steigern. „Außerdem fördern wir das Bewusstsein für den Wert anderer Kulturen.“ Die Akteure sprechen auf der Bühne in ihrer jeweiligen Muttersprache. Konzentriert improvisieren die Kinder ihre Dialoge.

„Image Aiguë“ war bis gestern in Bremen zu Gast, um Kinder zwischen 8 und 11 Jahren aus zwei Schulen auszuwählen. Diese sollen ab Sommer 2004 Teil einer internationalen Kindertheatergruppe werden. Drei Wochen lang wird dann in Frankreich geprobt. Noch zweimal kommt „Image Aiguë“ nach Bremen, voraussichtlich im Frühjahr 2004. Dann werden von den 20 theaterbegeisterten SchülerInnen der Grundschule Landskronastraße und der integrierten Stadtteilschule am Leibnizplatz vermutlich 4 bis 5 Kinder ausgewählt. Diese dürfen auch an den weiteren Proben teilnehmen.

Finanziert wird das Projekt von Christiane Vericel größtenteils von der Europäischen Union. Bremen und fünf andere europäische Städte steuern selbst jeweils 60.000 Euro bei. Uli Fuchs ist der Hauptinitiator der Kooperation mit Vericels Truppe. Er verspreche sich von ihr einen Imagegewinn für die hiesigen Kulturhauptstadtsbemühungen, sagt der Dramaturg. Das Theaterprojekt wird als Beispiel für eine Öffnung der Bremer Kultur gegenüber Europa gewertet. In der Bewerbungsschrift soll es eine Rolle spielen.

Bevor man allerdings die kulturellen Früchte der internationalen Zusammenarbeit erntet, ist noch viel Enthusiasmus gefragt. Das Kinder- und Jugendtheater Moks organisiert die Proben und hat den Kontakt zu den Schulen hergestellt.

Eine gewichtige Rolle spielen dort die Theaterlehrer. Eltern und Kinder müssen auf die kommenden Ereignisse vorbereitet werden. An der Landskronastraße übernimmt das Hans Dieter Kauth.

Der Unterrichtsausfall halte sich durch die Arbeit in den Sommerferien in Grenzen, erklärt er. Schwieriger sei es, mit der „Casting“-Situation umzugehen, der die Kinder ausgesetzt sind. „Das Problem, dass durch bekannte Fernsehformate Hoffnungen beflügelt werden, lässt sich nicht wegreden,“ urteilt der Pädagoge. Doch die Medienvorbildung erleichtere auch so manches: „Die Eltern geben eher ihr Einverständnis.“ Ebenso wüssten die SchülerInnen, dass Enttäuschungen zu erwarten sind. „Das hilft, damit umzugehen.“ Als Alternative gebe es immerhin die Möglichkeit an der Theater-AG der Schule mitzuarbeiten.

Kauth ist froh, dass seine SchülerInnen, die zum großen Teil aus sozial schwachen Familien stammen, an Vericels Projekt teilnehmen. Er sieht Parallelen zur eigenen Biografie: Als Kind aus einem armen Elternhaus habe er durch die Mitarbeit in einem Schultheaterstück die Möglichkeit erhalten, aufs Gymnasium zu gehen, so Kauth. „Diese Chance möchte ich weitergeben.“ Tim Ackermann