Straucheln ohne zu fallen

Konzertszene Bremen I: Das Römer im Fehrfeld will an die guten alten Zeiten erinnern – und dabei nach vorn schauen

Es gibt in Bremen kaum einen anderen Club, dem ein mittelalter Cop aus Amerika ins Gästebuch schreibt, dass dies „vor 20 Jahr’n mein Heimladen war“. Remember the good ol’ days …Denn das Römer präsentiert sich nach wie vor als architektonisch hinreißend verwinkelter Schlauch, als ein Hauch von 1980er-Kreuzberg im Bremer Viertel. Zahllose Punk- und Hardcore-Konzerte sind Legende. Bremen war – und ist noch – kein schlechtes Pflaster für musikalische Mini-Ereignisse, die nach langer Zeit noch vom Dabei-gewesen-Sein zehren.

Der beohrringte rote Teufelskopf, das Symbol des Römer, sieht heute natürlich stylisher aus als in jener Zeit, da man Corporate Design nicht einmal buchstabieren konnte. Er ziert die Rückenlehnen der gepolsterten Bänke an den Seiten. Die Sicht darauf ist an diesem Abend gut. Wenige nur sind gekommen. Hinten auf der Bühne stehen Bongogott.

Es ist ein kleines Projekt von Richard Pappik. Der freundliche ältere Herr mit langen grauen Haaren trommelt normalerweise bei Element of Crime. Solange dessen Sänger Sven Regener seinen „Jugend in Bremen“-Roman unter die Lesenden bringt, muss die Zeit ja auch irgendwie sinnvoll genutzt werden.

Bongogott, deren just erschienenes erstes Album passenderweise „Oh, Du Fröhlicher“ heißt, lassen sich vom geringen Publikumszuspruch kaum die Laune verderben. Sie sitzen im herben WG-Küchen-Charme des Backstageraums. Sie freuen sich, den einen oder anderen alten Bekannten wiederzutreffen.

Auf der Bühne tauscht Pappik sein Schlagzeug gegen Akustikgitarre und Gesangsmikro. Schade, denn sein leises, in den Offbeat verliebtes und äußerst präzises Spiel gehört immer noch zum Besten, womit deutschsprachige Popmusik sich unterstreichen lässt. Pappiks Begleiter bei Bongogott strahlen ein wenig das typische Problem von Musikern aus, die technisch über jeden Zweifel erhaben sind: Sie machen weniger als sie eigentlich könnten.

Das Vergnügen, das ihnen das Arrangieren und Einspielen der Songs augenscheinlich bereitet hat, von der Bühne aus ins Publikum zu verteilen, gelingt nur bedingt. Und für einen Abend-Film, zu dem Bongogott den launigen Soundtrack spielen, sitzen am Tresen einfach zu wenig unterhaltsame Trinkerexistenzen. Publikum und Bands sind auch im Römer jünger geworden.

Römer-Mitinhaber Gero Stubbe arbeitet nach langer Durststrecke des Clubs recht erfolgreich mit am Update der Hanse- als Musikstadt. Die unkonventionelle Herzlichkeit gegenüber Künstlern und Gästen wird von vielschichtiger Programmgestaltung flankiert. Dass auch der zurückhaltende Kevin Devine unbedingt wieder in den Römer wollte, um sein leises Singer/Songwritertum zu zelebrieren, lässt neue „gute alte Zeiten“ aufscheinen. Tim Schomacker

Am 30.10. gastieren die beherzten Agitprop-Discopunks „von Spar“ im Römer – mit den Nachfolgern der großen Haudraufs von „The Make-Up“ im Vorprogramm