Filet vom Wildschwein an Art au Concept

Kochkunst wird an der Hochschule für Künste eigentlich nicht gelehrt. Doch die Gewinnerinnen des ZEIT-Kochwettbewerbs Anneli Käsmayr und Jenny Kropp sehen das anders: Ihr Studium hat ihnen das Handwerk der genauen Komposition erschlossen

Eine weiße Tafel, festlich gedeckt. Die Gäste klirren mit den Weingläsern, plaudern und freuen sich auf ein Vier-Gänge-Menü. Doch dieses Bankett ist so wenig „nur“ ein Bankett, wie Marcel Duchamps Schneeschaufel „nur“ eine Schneeschaufel ist.

„Wir machen so was Ähnliches wie ,Ready mades‘. Nur sind wir vielleicht noch radikaler“, sagt Anneli Käsmayr. Denn während die Schneeschaufel im Museum steht, gehen die beiden Kunststudentinnen Käsmayr und Jenny Kropp mit ihrem Projekt auch in private Räume. Dort binden sie sich Schürzen mit ihrem Logo „Dilettantin“ um, veranstalten ein Festessen für mehrere Personen und erklären die Aktion zur Kunst. „Nichts sieht nach Kunst aus, ist aber als Kunst gemeint“, erfährt man aus ihrem Booklet. Folglich gehe es auch „nicht ums Essen an sich, sondern um eine Blickveränderung“, so Kropp. Allerdings bleibt offen, wohin der Blick, statt auf den Teller, sonst hingehen soll. Die Frage nach dem Verbleib der Kunst dürfte sich auch einigen Gästen stellen. Wie sich in den ersten Veranstaltungen zeigte, neigten die Bekochten dazu, das „Dilettantin“-Team für einen noblen Catering-Service zu halten. Trotz subversiv bedruckter Servietten.

Vielleicht liegt es daran, dass ihre Kochkünste das künstlerische Konzept in den Schatten stellen. „Kalte Zitronensuppe mit Fischtasche, Wildschweinfilet vom Rücken an dunkler Schokoladensauce mit eingelegten Birnen, zum Dessert Champagner-Halbgefrorenes mit weißer Schokolade, grünem Pfeffer und kandierten Limettenzesten“ – mit dieser Komposition belegten sie beim Kochwettbewerb der ZEIT im April den zweiten Platz.

Professionell haben sie nie kochen gelernt. Aus Spaß hätten sie angefangen, mit Rezepten zu experimentieren und einmal die Woche ein Vier-Gänge-Menü zu kochen. „Im Studium lernen wir genaues Betrachten und Komposition“, so Käsmayr „das wenden wir auch beim Kochen an“.

Das Medieninteresse, das sich nach dem Kochwettbewerb auf sie richtete, war ein „Glücksfall“ – für sie als Köchinnen, nicht jedoch für die Kunst. „Es ist nur schwierig, immer darauf hinzuweisen, dass wir eigentlich was anderes machen“, so Käsmayr, „das hat schon genervt“. Ironie des Schicksals, dass sie sogar Anfragen von TV-Sendern für eine Kochsendung bekamen. „Eine praktikable Möglichkeit, Geld zu verdienen“, meint Käsmayr, „nur mit unserem Projekt hätte das nichts mehr zu tun“.

Vorerst bleiben die beiden bei ihrer Live-Aktion. Zu jedem Abend gibt es ein Protokoll, in dem Anregungen der Gäste aufgenommen werden. Zudem bewahren sie die Tischdecken auf. Die Rotweinflecken-Muster seien so interessant, meint Kropp augenzwinkernd, dass man sie glatt auf einen Rahmen spannen und als Gemälde hinstellen könne.

      Sibylle Schmidt

Kontakt: www.dilettantin.de