Schwarz-Grün auf Schwäbisch

Die Stuttgarter Bürgermeisterwahl am morgigen Sonntag wird im Ländle zur Richtungsentscheidung stilisiert – für neue Bündnisse selbst auf Landesebene

FRANKFURT taz ■ Beim Wahlvolk grummelt es. Die Stichwahl für das Stuttgarter Oberbürgermeisteramt am Sonntag ist ein Unmutsthema, seit der grüne Kandidat Boris Palmer vergangene Woche seine Kandidatur zurückgezogen hat. Er votierte nicht wie erwartet zugunsten der SPD- Frau Ute Kumpf, sondern für den Amtsinhaber Wolfgang Schuster (CDU).

Damit enttäuschte er die Erwartungshaltung vieler Wähler, die ihm einen Achtungserfolg von 21,5 Prozent der Stimmen verschafft und auf ein rot-grünes Bündnis in der baden-württembergischen Landeshauptstadt gehofft hatten. Öffentliche Absprachen zwischen Kumpf und Palmer hatten besagt, dass man bei einem jeweiligen Fünf-Prozent-Stimmenvorsprung des anderen die eigene Bewerbung zurückziehen werde.

Palmers Signal wird nun in die Gegenrichtung interpretiert. Die Grünen wollten sich, heißt es, auch mit Blick auf die Landtagswahlen 2006 auf ein schwarz-grünes Bündnis vorbereiten. Der Verdacht verstärkte sich auch durch das Lob des möglichen Nachfolgers von Ministerpräsident Erwin Teufel. Landtags-Fraktionschef Günther Oettinger freute sich über die „kollegiale Zusammenarbeit“ mit den Grünen im Parlament.

Boris Palmer konnte sich bei seiner Entscheidung zumindest auf die Unterstützung der landes- und kommunalpolitischen Funktions- und Mandatsträger berufen. Aus der Landtagsfraktion war zu hören, der Berliner Bundesvorstand habe vergeblich versucht, Palmer umzustimmen. Palmer bestritt „Koalitionsinteressen auf städtischer oder Landesebene“.

Auch auf die kritischen Fragen zu seinem plötzlichen Sinneswandel reagiert Palmer genervt. Zwar habe er während des Wahlkampfes über Schuster immer wieder gesagt: „Er kann es nicht!“ Er habe damit aber nicht die fachliche Kompetenz des OB abqualifizieren wollen, sondern nur dessen steifes Verwaltungsimage gemeint. Beim Dreh- und Angelpunkt Stuttgart 21, der Verlegung des Hauptbahnhofs unter die Erde, habe Schuster sich jedenfalls mehr bewegt als Kumpf.

Auf Palmers Internetseite häufen sich die Proteste. Neben Anhängern der Grünen beschweren sich dort auch SPD-Wähler, die wegen der ökologischen und stadtplanerischen Positionen taktisch für Palmer gestimmt hatten. Der Kandidat sei „ein trojanisches Pferd“, ein „politisches Leichtgewicht“, habe sich „zum Schleuderpreis“ verkauft.

Die Palmer-Kritiker rufen nun dazu auf, jetzt erst recht für Ute Kumpf zu stimmen. Während Palmer sich in den Tagen vor der Wahl auf Diskussionsveranstaltungen rechtfertigte, haben Grünen-Politikerinnen, dabei auch die ehemalige Landesgeschäftsführerin Inge Leffhalm, unter dem Motto „Meine Stimme gehört mir“ zur Wahl von Kumpf aufgerufen. HEIDE PLATEN