Soll Alkoholkonsum in Zügen verboten werden?

Die Metronom prüft ein Alkoholverbot in ihren Zügen, um des zunehmenden Vandalismus Herr zu werden. Ganz so einfach scheint das nicht zu sein, denn es müssten erhebliche Kontrollen durchgeführt werden. Auch die Konkurrenz ist skeptisch, die taz-Redaktion geteilter Meinung

Würde die Metronom GmbH ein Spiel-, Rede-, Musizier- oder Essverbot in ihren Zügen erwägen, wäre jede Aufregung gerechtfertigt. Denn auch wenn einem eine gar zu lustige Reisegesellschaft oder eine Horde überdrehter Grundschüler gehörig auf den Zeiger gehen kann – sie schaden niemand und sind deshalb auszuhalten.

Anders verhält es sich bei einem Verbot von Alkohol. Im besten Fall reagieren sich Betrunkene am Bahn-Mobiliar ab – verständlich, dass ein Unternehmen darüber nachdenkt, wie es hier Kosten sparen kann. Betrunkene pöbeln und rempeln aber auch Schaffner und Schaffnerinnen an, die den Säufern noch weniger aus dem Weg gehen können als ihre Mitreisenden. Und wer Pech hat und auf einen besonders Enthemmten trifft, kriegt mehr ab als dumme Sprüche und eine Alkoholfahne.

Deshalb ist es richtig, für die Dauer der Fahrt eine Saufpause zu erzwingen. Davon werden diejenigen, die sich bereits zugedröhnt haben, zwar nicht wieder nüchterner, aber auch eben nicht noch breiter. Dass vom Verbot nicht nur grölende Fußballfans betroffen sind, sondern dass auch das Damenkränzchen das Likörchen in der Zugtoilette kippen muss und der Pendler sein Feierabendbier erst eine Stunde später bekommt – ach Gottchen. Wer nicht süchtig ist, hält das gut aus.

Ein Alkoholverbot in privaten Zügen, ein Rauchverbot für fast alle Räume, in denen sich auch NichtraucherInnen aufhalten könnten: Das interpretieren manche als Untergang des Abendlandes. Doch genauso wenig wie eine Zugreise ohne Alkohol oder ein Kneipenbesuch ohne Zigaretten zu einem freudlosen Leben verdammt, sind dies Zeichen für eine neue Verbotskultur. Gewandelt hat sich etwas anderes: Markant männliche Trinkfestigkeit und Kippe haben als Insignien der Macht ausgedient, sie stehen heute für Verlierertum. Das kann man bedauern und sich die guten alten Zeiten zurück wünschen. Alle anderen freuen sich – und rauchen und saufen einfach nur noch dann, wenn sie damit niemand als sich selbst schaden.EIKEN BRUHN

Egal um welches Problem es geht, das Verbot als solches hat immer einen Vorteil: Es verspricht die einfachste aller Lösungen. Deswegen gewinnt das Verbot in dem Maße an Beliebtheit, in dem die Welt komplizierter wird. Verbote haben Konjunktur, sei es beim Rauchen, bei den Flaschen auf der Reeperbahn oder in der Debatte um Computerspiele. Was übrig bleibt, sind restriktive Zeiten.

Nun denkt die Betreibergesellschaft des Metronom darüber nach, den Alkoholkonsum in ihren Zügen zu verbieten, um so den Alkoholpegel ihrer Fahrgäste im Zaum zu halten. Dass die Betrunkenen in den Wochenendzügen des Metronom unangenehm werden können für die Schaffner, für die restlichen Fahrgäste und das Inventar, glaubt man den Metronom-Betreibern sofort.

Gleichzeitig liegt auf der Hand, dass ein Verbot das Problem nicht lösen kann. Erstens bringen die Fahrgäste ihren Pegel bei den Heimfahrten von den Stadien oder den Vergnügungsvierteln schon mit. Zweitens wäre ein Alkoholverbot schlicht nicht durchzusetzen – es sei denn, im Metronom würde künftig eine größere Anzahl schwarzer Sheriffs mitfahren.

Die müssten dann die Fahrgäste permanent im Auge haben, um den schnellen Schluck aus der Pulle mitzubekommen. Sie müssten Taschen und Flaschen auf ihren Inhalt hin überprüfen. Und nicht zuletzt müssten sie einige Autorität mitbringen, um Betrunkene erfolgreich maßregeln zu können. Alles andere wäre lächerlich für die Besoffskis, die für gewöhnlich nicht nur alkoholisch enthemmt, sondern auch in Gruppen unterwegs sind.

Ein Zug unter Aufsicht von Schwarzen Sheriffs wäre finanziell ein Eigentor und atmosphärisch ein Pyrrhussieg. Dass es besoffene Leute gibt, die sich öffentlich daneben benehmen, mag nerven. Aber es gibt für dieses Problem keine einfache Lösung. Es gibt für dieses Problem auch keine komplizierte Lösung, sondern nur eine, die im täglichen Zusammenleben immer mal wieder bemüht werden muss. Sie lautet: Aushalten.

KLAUS IRLER

VON JONAS NONNENMANN

Die Metronom Eisenbahngesellschaft mit Sitz in Uelzen strebt ein Alkoholverbot an Bord ihrer Züge an. Man habe genug von Fußballfans und Jugendlichen, die sich in den Zügen betrinken, sagt Unternehmenssprecherin Tatjana Festerling.

Das Problem: Wegen des erhöhten Alkoholkonsums gebe es immer mehr Fälle von Vandalismus. „Wir müssen teilweise ganze Zugverbände in die Extrareinigung geben“, sagt Festeling und verweist auf jährliche Zusatzkosten im sechsstelligen Bereich, die sich durch verdreckte Böden, fest sitzende Aufkleber, Innengraffiti und fäkalienverschmierte Toiletten ergeben. Bis zu 20 Kästen Bier müsse das Reinigungspersonal gelegentlich aus den Zügen, die unter anderem zwischen Hamburg, Bremen und Hannover pendeln, entsorgen. Auch mehren sich laut Festerling die Beschwerden von Fahrgästen, die sich über Lärm und Belästigungen ärgerten. Deshalb will die Metronom jetzt prüfen, ob ein Alkohol-Konsumverbot möglich ist.

Das bedeutet nicht, dass Betrunkene künftig aus der Bahn geworfen werden, verboten werden soll nur der Konsum im Zug. Rechtlich ist ein solches Verbot laut Festerling möglich. Die Münchner U-Bahn hat es vorgemacht: Dort sitzen die Fahrgäste seit 2008 auf dem Trockenen.

Letztlich geht es der Metronom aber offenbar um mehr als ein Verbot. „Wir wollen ein Umdenken erreichen“, sagt Festeling. Die Gesellschaft müsse Position beziehen zu dem, was sich in den Zügen abspielt. Auch im Hinblick auf Kinder, die nicht lernen sollten, dass es normal ist, rund um die Uhr Alkohol zu trinken. Edle Worte, die auch bei den anderen Bahnunternehmen nicht ungehört blieben. Die wollen allerdings nicht auf den fahrenden Zug mit aufspringen. Die Deutsche Bahn etwa hält ein Alkoholverbot für wenig erstrebenswert und kaum durchsetzbar. Die Hannoverschen Verkehrsbetriebe lehnen ein Verbot ab, weil es umfangreiche Kontrollen zu jeder Tages-und Nachtzeit voraussetze. Außerdem stellt sich die Frage, welchem Mitarbeiter es zuzumuten ist, betrunkenen Fußballfans die Flasche aus der Hand zu nehmen.

Eine schlüssige Antwort auf diese Probleme scheint auch die Metronom bisher nicht zu haben. „Wir sind dabei, das zu konkretisieren“, sagt Festeling. Mögliche Lösungen will Metronom zunächst in einer Expertenrunde diskutieren, in der neben Mitgliedern von Verkehrsunternehmen auch Gewerkschaftler und Vertreter der Bundespolizei sitzen sollen. Allen Schwierigkeiten zum Trotz gibt sich Festerling kämpferisch. „Wir resignieren nicht, schon gar nicht im Vorfeld“, kündigt sie an. Und zieht Parallelen zum Kampf gegen den Tabak: „Wir waren auch schon die ersten, die in unseren Zügen ein konsequentes Rauchverbot ausgesprochen haben.“ Damals habe es im wahrsten Sinne des Wortes auch „Gegenwind“ gegeben. Heute ist das Rauchen im Zug weitgehend tabu. Bleibt die Frage, ob sich die Fußballfans so leicht die Flasche aus der Hand nehmen lassen wie die Raucher ihre Kippen.