Großstadt braucht keine Landwirtschaft mehr

Macht die Humboldt-Universität ihre agrarwissenschaftliche Fakultät dicht, verliert Berlin das einzige Studienangebot dieser Art. Aber HU-Präsident Jürgen Mlynek spart sich auf einen Schlag 31 Professoren. Die Fakultät fühlt sich verraten

Da kräht kein Hahn nach, mag sich Unipräsident Jürgen Mlynek gedacht haben. Aus Sparzwängen beschloss er, die Landwirtschaftlich-Gärtnerische Fakultät (LFG) der Humboldt-Universität (HU) zu schließen. Aber damit würde ab 2009 das einizige Studienangebot dieser Art an den Berliner Hochschulen wegfallen.

Deshalb reihte sich gestern auch Brandenburgs Agrarminister Wolfgang Birthler (SPD) in den Protest der betroffenen Wissenschaftler und Studenten ein. In einem Brief an Mlynek unterstrich er die Bedeutung der LGF und ihrer Foschungen für die angestrebte Agrarwende.

In einem Strukturplan hatte das HU-Präsidium Ende Oktober präsentiert, wo und wie die vom Senat verordneten 23 Millionen Euro eingespart werden: Danach sollen ab 2006 insgesamt 90 Professorenstellen wegfallen – davon allein 31 durch Schließung der LFG –, die Zahl der Studienplätze soll von 16.000 auf 13.000 verringert werden. Neben den Agrar- werden auch die Bibliothekswissenschaften abgewickelt. Die Romanistik verliert die Hälfte ihrer Professoren, die Theologie ein Drittel.

LFG-Dekan Uwe Jens Nagel versteht die Welt nicht mehr: „Auf Kürzungen waren wir vorbereitet.“ Aber mit der Abschaffung habe man nicht gerechnet, zumal das Studium erst 2001 komplett reformiert und auf internationale Bachelor- und Master-Studiengänge umgestellt worden war.

Außerdem wurde die LFG mit den entsprechenden Studiengängen der Technischen Universität (TU) und der Freien Universität (FU) fusioniert, um Leistungen zu bündeln. Doch daraus seien Folgekosten entstanden, die die Foschungsleistung der Fakultät geschwächt hätten, so Nagel. So habe man seit Jahren keine Professoren neu berufen können, weil der durch den Zusammenschluss entstandene Stellenüberhang aufs Budget gedrückt habe.

„Für den Präsidenten geben diese Zahlen wohl den Ausschlag“, vermutet Nagel. Da zähle halt nicht, dass die Fakultät in puncto Internationalität und Vernetzung führend sei und überproportional viele Absolventen in die Entwicklungshilfe gingen. „Würden wir mehr im Bereich der Gentechnologie forschen, statt den Schwerpunkt auf Nachhaltigkeit zu legen, würden wir vielleicht nicht geschlossen.“

Jenny Walther, Pressesprecherin der LGF-Fachschaft: „Wir fühlen uns verraten und verkauft.“ Für sie stehen die Schließungspläne vor allem im Zusammenhang mit Mlyneks Konzept einer „Universitas Litterarum“, das heißt einer humanistischen Universitätsbildung im klassischen Sinn. „Öffentlich beruft sich der Präsident auf objektive Kriterien wie Überalterung der Professoren“, so die Studentin der Internationalen Agrarwissenschaft, „aber intern sagt er deutlich, dass wir besser an derFachhochschule aufgehoben wären und er keinen Artenschutz für Studienfächer betreibt.“

HU-Pressesprecherin Susanne Morgner bestätigt diese Vermutungen: „Auch ohne die Agrarwissenschaften sind wir noch eine Universitas Litterarum.“ Wichtiger sei es, die Lehrerausbildung zu erhalten.

Wissenschaftssenator Thomas Flierl (PDS) hält sich im Streit um die LFG-Schließung bislang bedeckt. Schließlich hatte er den Unipräsidenten freie Hand bei der Umsetzung seiner Sparvorgaben zugestanden. MEIKE RÖHRIG