fußpflege unter der grasnarbe
: Die Xylophonisten des Fußballs

Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, wer an einem Bundesligaspieltag so alles auf der Ersatzbank rumsitzt? Klar, Physiotherapeut und Mannschaftsarzt, damit die Blessuren gleich in Watte und Eis gepackt werden können. Die Auswechselspieler natürlich, von denen sich mancher Hoffnung auf einen Einsatz macht und der Rest den Journalisten erzählt, dass der Trainer immer falsch aufstelle. Der wiederum ist der ungekrönte Bank-Direktor: Alle Augen, respektive Kameras sind auf ihn gerichtet, wenn auf dem Platz nichts los ist. Dann stürzt sich ein Schwarm Fotografen auf die Bank, als hätte sich dort Cameron Diaz neben Johnny Depp gesetzt.

Es ist Zeit, sich mit der Person zu beschäftigen, die regungslos neben dem Coach sitzt und die wir gerade eben selbstredend vergessen haben. Die Rede ist vom Co-Trainer, jenem verkannten, schlimmer noch: jenem unbekannten Wesen. Es gibt wahrscheinlich die unterschiedlichsten Typen, doch im Grunde ist keiner um seinen Job zu beneiden. Insgeheim fragen sie sich wohl alle hin und wieder, was wohl wäre, wenn der Vorgesetzte mal rausgemobbt werden würde, ob damit endlich auch ihre Chance käme. Nur um, wenn es dann endlich so weit ist, ganz schnell zu merken, dass mal wieder einer der Namen einen Job kriegt, den die Journalisten durch die Druckpresse rotieren lassen, wenn sie einem anderen Trainer seinen Job nicht mehr gönnen. Noch schlimmer ist es, wenn die Co-Trainer, in der öffentlichen Beachtung vergleichbar mit den Xylophonisten beim Sinfonieorchester, ihr Wohl und Wehe an den Job ihres Vorgesetzten gekettet haben: Wenn Hitzfeld geht, fliegt Henke mit – doch selbst in der Schmach bekommt wieder nur der Chef die Schlagzeilen.

Nein, sie sind wirklich nicht zu beneiden, diese Menschen, die als Einzige aus dem Mannschaftsbus steigen, ohne je ein Autogramm schreiben zu müssen. Zumal dann nicht, wenn sie neben den Temperamentsbolzen der Branche sitzen. Denn ein Co muss während des Spiels seinem Chef Modell sitzen und ihm dabei als Diktiergerät aus Fleisch und Blut dienen, indem er dessen Vorträge erduldet. Solch Unbill verleiht manchem von ihnen mit den Jahren einen leicht schäferhundhaften Gesichtsausdruck. Es ist aber auch wirklich keine Freude, 89 von 90 Minuten von der Seite vollgetextet zu werden, wenn der Chef mal wieder doziert, wie das Spiel gerade so zu verstehen sei. Unvergessen die Bilder von gelangweilten Assistenztrainern, neben denen ein gestikulierender Derwisch vor sich hin brüllt. Andererseits ist gerade das vielleicht auch ein großer Segen in der traurigen Existenz des auf den unschönen Kurznamen „Assi“ hörenden Mannes: Er ertaubt, bevor er sich der Ausweglosigkeit seiner Situation voll bewusst werden kann.

Der bedauernswerteste Mann an der Seite der Seitenlinie ist fraglos Karl-Heinz Kamp, der in Bremen seit 19 Jahren als Vize-Coach fungiert und derart viele erste Männer erlebt hat, dass man ihn wirklich nicht mehr zweiter Mann nennen kann. Es dauert wohl nicht mehr lange und in der Hansestadt wird der erste Karl-Heinz-Kamp-Seniorenteller kredenzt. Auch eine Form, Karriere zu machen.

Fotohinweis: Christoph Ruf, 32, stellt sich freiwillig als Vorkoster für den Karl-Heinz-Kamp-Seniorenteller zur Verfügung. Er lauscht gerne den Sinfonien der Liga.