Anklagebank statt Präsidentenpalast

Bei den Präsidentschaftswahlen in Guatemala belegt Exdiktator Ríos Montt abgeschlagen den dritten Platz

GUATEMALA-STADT taz ■ Efrain Ríos Montt ist weg vom Fenster: Mit nach vorläufigen Angaben nur 11,2 Prozent der Stimmen unterlag der ehemalige guatemaltekische Diktator bei der Präsidentenwahl deutlich dem Rechtskonservativen Oscar Berger (47,6 Prozent) und dem Mitte-rechts-Kandidaten Álvaro Colóm (26,4 Prozent).

Ríos Montt hat damit keine Chance mehr auf die Stichwahl am 28. Dezember. Stattdessen muss sich der 77-Jährige, der bislang als Parlamentspräsident Immunität genoss, auf einen Strafprozess vor guatemaltekischen Gerichten gefasst machen.

Die Anklage wird auf Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit lauten: Unter der Militärherrschaft Ríos Montts in den Jahren 1982/83 sollen mindestens 17.000 Menschen ums Leben gekommen sein. Sein Regime gilt als das grausamste des guatemaltekischen Bürgerkrieges (1960–1996). „Wir rechnen mit einem Prozessbeginn noch in der ersten Jahreshälfte 2004“, sagt Christina Laur von der Organisation „Zentrum gesetzlicher Aktion für Menschenrechte“, das zahlreiche Montt-Opfer vor Gericht vertreten wird.

„Diese Wahl war in erster Linie eine Wahl gegen die Gewalt“, sagte die Friedensnobelpreisträgerin Rigoberta Menchú nach Bekanntwerden erster Ergebnisse. Menschenrechtler sind optimistisch, dass die Guatemalteken, trotz der Gewalttätigkeit des vergangenen Jahres, langsam anfangen, ihre Vergangenheit zu bewältigen. Das Wissen um die Vorkommnisse während der Montt-Diktatur habe mit Sicherheit das Wahlergebnis beeinflusst, meint ein Mitarbeiter der staatlichen Menschenrechtsbehörde.

Noch aber äußern Organisationen wie etwa die UN-Beobachtermission Minugua große Sorge bezüglich antidemokratischer Strukturen im Land, die ein Funktionieren des jungen demokratischen Systems sehr erschweren. Die Menschenrechtlerin Helen Mack ist skeptisch, dass sich die Situation mit dem Regierungswechsel automatisch bessern wird. „Die Mafias sind so mächtig, dass sie in der Lage sind, jede Regierung zu infiltrieren“, sagt sie.

Der Gewinner dieser Wahl, der 57-jährige neoliberale Unternehmer Oscar Berger, Kandidat der „Großen Nationalen Allianz“ (Gana) und langjähriger Bürgermeister von Guatemala-Stadt, ist die Option der Großbourgeoisie, die in der letzten Legislaturperiode erheblich an Einfluss verloren hat. Berger will Guatemalas Märkte weit öffnen und plädiert für einen schwachen Staat.

„Ich werde der erste Präsident ganz Guatemalas sein“, sagt Berger im Hinblick auf die 43 Prozent Guatemalteken, die Maya-Ethnien angehören. Mehrere Maya-Gemeinschaften haben allerdings schon bekannt gegeben, dass sie sich von keinem der Kandidaten repräsentiert fühlen.

Die Ergebnisse der Linksparteien lagen dagegen weit unter fünf Prozent. Dem Analysten Enrique Álvarez zufolge haben sie es nach dem Ende des Bürgerkrieges nicht geschafft, sich von radikalen Guerillas in Volksparteien zu verwandeln. „Die Leute verbinden sie immer noch viel zu sehr mit Leid und Krieg“, sagt Álvarez. ISABEL GUZMÁN