Kanzler gibt Linken nach

Die SPD-Fraktion beschließt heute die Eckpunkte einer Ausbildungsplatzabgabe

BERLIN taz ■ Bundeskanzler Schröder hat erstmals ein klares Wort gesprochen: Nun ist auch er für die Ausbildungsplatzabgabe, um betriebliche Lehrstellen zu finanzieren – gegen den Widerstand von Wirtschaftsminister Wolfgang Clement. Die entscheidenden Worte fielen auf der gestrigen Sitzung des SPD-Parteivorstandes. Wie Generalsekretär Olaf Scholz hinterher berichtete, habe Schröder die bedeutsame Weisung ausgegeben, das sei ein Weg, der jetzt gegangen werde müsse. Der Vorstand habe allerdings nur Leitlinien diskutiert, die Details sollten im Gesetzgebungsverfahren verhandelt werden. Das Gesetz könne etwa im Februar beschlossen werden und schon im nächsten Ausbildungsjahr gelten.

Scholz räumte ein, dass Wirtschaftsminister Clement die Abgabe „skeptischer“ beurteile. Aber der Generalsekretär ließ sich nicht beirren: Ein Ausbildungsplatz für jeden Schulabgänger sei eine Frage, deren Bedeutung für die Zukunft Deutschlands unterschätzt werde. Er gehe davon aus, dass der SPD-Parteitag in einer Woche einen entsprechenden Beschluss fasse. Die Umlage gilt parteiintern als wichtiges Signal an die SPD-Linken, die die soziale Schieflage der Agenda 2010 kritisieren.

Die SPD-Bundestagsfraktion wird bereits heute Eckpunkte einer Lehrstellenabgabe beschließen. Sie soll jährlich neu berechnet werden: Je mehr Lehrstellen fehlen, desto höher steigt die Umlage. Damit beträgt die Abgabe nun also doch nicht pauschal ein Prozent der betrieblichen Bruttolohnsumme, wie zuvor berichtet wurde.

Das Geld soll in einen Fonds gezahlt werden, mit dem betriebliche Ausbildungsplätze geschaffen werden. Ausnahmen soll es für kleine, neu gegründete und insolvenzgefährdete Betriebe geben. Auch gleichwertige tarifvertragliche Vereinbarungen werden akzeptiert.

Das Papier der SPD-Fraktion lässt offen, wie viele Auszubildende ein Betrieb prozentual beschäftigen muss, um von der Abgabe befreit zu bleiben. Möglich ist eine einheitliche Quote für alle Firmen, aber auch das Stufenmodell des SPD-Ausbildungsexperten Willi Brase steht zur Diskussion. Danach sollen die Lehrlinge in kleinen Firmen etwa acht Prozent der Beschäftigten stellen, diese Quote soll schrittweise auf drei Prozent bei Großbetrieben sinken.

Wie stark die Zahl der betrieblichen Ausbildungsplätze geschrumpft ist, macht ein Bericht des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung deutlich: So nahmen die Lehrstellen im Werkzeugbau zwischen 1975 und 2000 um über 60 Prozent ab, bei Verkäuferinnen und Verkäufen um fast 80 Prozent. Insgesamt gingen fünf Prozent der Ausbildungsplätze in Industrie und Handel und gut 20 Prozent im Handwerk verloren.

Immer weniger Firmen bilden überhaupt noch aus. Jeder zweite Kleinstbetrieb hat sich zwischen 1985 und 2000 von der Berufsausbildung verabschiedet. Insgesamt hat sich in diesem Zeitraum mehr als ein Drittel der Betriebe aus der Ausbildung zurückgezogen.

JENS KÖNIG, THILO SCHMIDT