Ein normaler Sonntagmorgen

Vier Rechtsextreme schlugen Arun K. in einem S-Bahnhof zusammen. Durch den Überfall verlor er seinen Job

Wenn Arun K.* in akzentfreiem Deutsch über den 7. September spricht, zittert seine Stimme kaum merklich. Es ist drei Monate her, dass ein rechtes Quartett den iranischen Studenten am S-Bahnhof Baumschulenweg zusammenschlug. Das LKA ermittelt bisher erfolglos.

Dabei hatte der Sonntag für den angehenden Chemiker ganz normal begonnen. Früh morgens um 5 Uhr hatte er am S-Bahnhof Baumschulenweg seine Arbeitsuniform angezogen, um seinen Job als Verkäufer von Croissants und Baguettes im Shop der Kette „Le Cro Bag“ in der Unterführung des Bahnhofs anzutreten. Doch als er Kaffeepakete aus dem Lagerraum in den Imbissstand tragen wollte, sah sich der 24-Jährige plötzlich von vier Männern umringt.

„Die sahen ganz normal aus, nicht so wie Naziskins. Aber sie haben mich genauso behandelt wie die Rechtsextremisten“, sagt Arun K. Die Beschimpfungen der Angreifer wie „Scheiß Ausländer, wir machen dich fertig“ wiederholt er nur ungern. Arun K.s Versuche, die Gruppe verbal zu beruhigen, scheiterten. „Plötzlich hat einer der Typen auf das Paket in meiner Hand geschlagen. Da war mir klar, dass ich keine Chance haben würde.“

Arun K. gelang es noch, dem Angreifer die Flasche aus der Hand zu reißen und wegzuwerfen. Dann wurde er von den drei Männern überwältigt. Tritte und Schläge warfen ihn zu Boden. „Als ich schon auf dem Boden lag, bekam ich immer wieder Tritte gegen den Kopf.“ Am schlimmsten sei gewesen, dass während der ganzen Zeit S-Bahn-Passagiere vorbeiliefen ohne einzugreifen, sagt der Student. Auch der Zeitungsverkäufer, den er seit längerem durch seinen Sonntagsjob kannte, habe „einfach weggeguckt“.

Arun K. wurde schnell klar, dass er nicht am Boden liegen bleiben durfte. „Sonst hätten die mich fertig gemacht.“ Ihm gelang es, sich hochzurappeln und dem jüngsten aus der Gruppe einen Schlag auf die Nase zu verpassen. Der Iraner flüchtete in den Backshop, verrammelte die Tür und wählte den Notruf der Polizei. Dann verlor er das Bewusstsein. Als er wieder zu sich kam, standen Polizisten vor dem Backshop und begrüßten ihn mit der Aufforderung: „Ihren Ausweis, bitte.“ Erst nach längerem Hin und Her wurde Arun K. dann zum Krankenhaus gebracht, wo eine Gehirnerschütterung und Hämatome am ganzen Körper attestiert wurden.

Zwei Tage nach dem Angriff bat Arun K., der bis dahin zwei Jahre lang am S- Bahnhof Baumschulenweg gearbeitet hatte, bei der Filialleitung von „Le Cro Bag“ um seine Versetzung in einen anderen Backshop. „Als ich weggerannt bin, haben mir die Typen hintergerufen, dass sie mich beim nächsten Mal töten“, begründet er den Wunsch.

Tatsächlich gilt der Bahnhof in Treptow schon seit über einem Jahr als gefährliches Gebiet für alle, die nicht ins rechte Weltbild passen. Hier treffen sich regelmäßig rechte Jugendcliquen, Naziskins und die neonazistische „Kameradschaft Treptow“. Doch bei der Backshop-Kette, die in Berlin mehr als zwanzig Filialen unterhält, hieß es, es gebe keine anderen freien Arbeitsplätze. Als Arun K. beharrlich blieb, bot man ihm als Alternative eine Stelle im Backshop im S-Bahnhof Schöneweide an. „Ich bin dringend auf den Job angewiesen, aber Schöneweide ist genauso inakzeptabel“, sagt der Chemiestudent. Seit dem Angriff ist er krank geschrieben, doch auch auf die Krankengeldzahlung wartet er bisher vergeblich.

In der Hamburger Zentrale der bundesweiten Backshop-Kette sagt Jens Bartolatus, einer von zwei Geschäftsführern: „Erst einmal muss geklärt werden, wie es überhaupt zu dem Angriff gekommen ist.“ Dann fügt der Mann schnell hinzu: „Wenn wir keine ausländischen Mitarbeiter hätten, könnten wir den Laden dichtmachen.“ HEIKE KLEFFNER

* Name geändert