Mittellos in der fremden Heimat

Hunderttausende Bürger Burkina Fasos, die seit Jahrzehnten in der Elfenbeinküste gelebt hatten, sind vor Krieg und Verfolgung in das Land ihres Ursprungs geflohen. Dort stehen sie vor dem Nichts. Sie bauen ihre Herkunftsorte nach und leben im Elend

aus Pélégi BAGASSI KOURA

Manche sind hunderte von Kilometern zu Fuß gegangen, andere saßen tagelang im Bus. Fast 300.000 Bewohner der Elfenbeinküste mit der Staatsbürgerschaft Burkina Fasos sind seit Beginn des ivorischen Bürgerkrieges im September 2002 in ihre „Heimat“ geflohen. Sie retteten sich vor fremdenfeindlichen Übergriffen im Gebiet der Regierung von Präsident Laurent Gbagbo und der systematischen Zerstörung der Slums westafrikanischer Immigranten in Abidjan. Die meisten mussten alles zurücklassen und kommen nun völlig mittellos in einem Land an, das ärmer ist als das, aus dem sie geflohen sind.

„Am schlimmsten ist der Hunger“, sagt Abzèta Sawadogo, Mutter von neun Kindern. „Wir sind vor siebeneinhalb Monaten gekommen, und uns geht es sehr schlecht. Die zwei Sack Mais, die Bohnen, das Salz und das Speiseöl von der Wohlfahrt sind längst alle. Jetzt haben wir überhaupt nichts. Wir können nicht einmal jeden Tag essen.“ Adama Forgho, Vater von zehn Kindern – die Mutter starb kurz nach Rückkehr nach Burkina –, ergänzt: „Es ist sehr schwer. 25 Jahre lang hatte ich in der Elfenbeinküste unser Leben aufgebaut, und jetzt habe ich nichts mehr. Meine Kinder hungern und ich bin zu schwach für Landarbeit.“

Die Regierung von Burkina Faso hat wenig tun können für die Rückkehrer, von denen viele ihr Heimatland nie gesehen haben – schon in der Kolonialzeit waren zahlreiche Bewohner des heutigen Burkina Faso in die Großstädte und Plantagen der heutigen Elfenbeinküste gezogen, damals beides Provinzen von Französisch-Westafrika. Jeder Rückkehrer erhält nun vom Sozialministerium eine Decke, ein paar Kilo Lebensmittel und Speiseöl und wird aufgefordert, innerhalb von 48 Stunden die Heimatgemeinde aufzusuchen. „Wir wollen keine burkinischen Flüchtlinge in Burkina“, sagt Sozialministerin Mariam Lamizana.

Adama Forgho und Abzèta Sawadogo sind nicht in ihre Heimatgemeinden gegangen. Wie tausende anderer Rückkehrer leben sie in einem selbst gebauten Dorf nahe der ivorischen Grenze. Es heißt Pélégi, so wie der Ort im Westen der Elfenbeinküste, aus dem sie kommen.

„Sechsmal gab es Luftangriffe auf unser Dorf“, erinnert sich Boubacar Soré an die Zustände, die ihn und die anderen zur Flucht zwangen. „Unsere Hütten und Felder verbrannten, mehrere Menschen auch. Ich konnte meine Familie retten, und jetzt sind wir hier.“ Im nachgebauten Pélégi von Burkina leben nach Angaben des lokalen Präfekten André Kambou 3.525 Rückkehrer.

Das ist kein Einzelfall. In Burkina Faso gibt es die Dörfer Tabou I und Tabou II – benannt nach dem ivorischen Ort, wo 1999 und 2000 die ersten systematischen Pogrome gegen burkinische Einwanderer stattfanden. Im Mai zerstörten die burkinischen Behörden ein Rückkehrerdorf 50 Kilometer westlich der Hauptstadt Ouagadougou mit Bulldozern. Sie wollen keinen Staat im Staate.

Erst im Juni – neun Monate nach Beginn des ivorischen Krieges – legte die Regierung ein Eingliederungsprogramm in Höhe von 4,5 Millionen Euro vor. Schulplätze für die Kinder unter den Rückkehrern sind garantiert, selbst wenn die lokale Grundschule schon überfüllt ist. Einige wenige haben von Wiedereingliederungsprogrammen profitiert. Die deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) hat im Mai ein Programm zur Wiedereingliederung rückkehrender Frauen und Kinder im ländlichen Raum in Höhe von einer Million Euro aufgelegt.

Aber in Pélégi gibt es bis heute keine Schule, kein fließendes Wasser, kein Gesundheitszentrum. Das Land ist fruchtbar, aber den Leuten fehlt es an Materialien für die Landwirtschaft. Krankheit und Hunger greifen um sich. „Wir können nur das tun, wofür wir die Mittel haben“, verteidigt sich ein Provinzverantwortlicher der staatlichen Wohlfahrt. „Wir kriegen nichts von der Regierung, also was sollen wir machen?“

Allmählich beginnen die Rückkehrer zu verzweifeln. „Ich bin aus der Unsicherheit geflohen und im Elend gelandet“, klagt einer. „Ich werde in die Elfenbeinküste zurückgehen. Dort habe ich all meinen Besitz, und hier habe ich nichts. Wenn ich in der Elfenbeinküste den Tod finde, ist das eben mein Schicksal.“