Juwelen auf Pfoten

Große Geschäfte mit kleinen Tieren: ein nobler Hundeverleih in Hamburg

Der typische Alsterläufer sollte möglichst nichtüber die Knie reichen

Sein weißes T-Shirt sitzt etwas stramm über dem Bauch. Immerhin, so fällt der rote Druck auf, dessen Buchstaben leicht verzerrt auf seiner Kuppe siedeln: „Mobile Hundestation: eine Stunde Auslauf mit Rassehund ab 15 Euro.“ Gute Werbung sieht anders aus, das weiß Karl Schnetzer. Egal, sein Hundeverleih läuft auch so. Vor drei Monaten hat er ihn an Hamburgs Alster eröffnet.

Schnetzer lehnt sich gemütlich gegen die offene Tür seines VW-Busses, ein Hundestall auf Rädern. Innen wartet auf kurzen Beinen ein Mops auf Ausgang. Eine gepflegte Frau mittleren Alters nähert sich Schnetzer. Sie fragt nach James: gut gebaut, feiner Charakter, Zwergpinscher. Der ist für den ganzen Nachmittag gebucht. Schnetzer bietet der Kundin dafür Edgar, den Mops, an. Ein Neuzugang in der Hundefamilie. Edgar tanzt aufgeregt um sie herum, ihre Augen leuchten. „Du bist aber ein Feiner. Ja wo isser denn, ja wo isser denn?“, entfährt es der Dame. Sie stimmt zu. Der gelernte Programmierer übergibt Edgar mitsamt Halsband und Leine. „Ohne Reservierung wird’s halt manchmal eng“, sagt er.

Es ist Hauptsaison, alle anderen Tiere sind im Einsatz. Insgesamt vermietet er acht Hunde für den Alsterspaziergang: Zwei Yorkshire-Terrier, einen Zwergpinscher, zwei Möpse, einen Deutschen Großspitz und zwei Chihuahuas. Alles Rassehunde mit bestem Stammbaum. „Das sind richtige Juwelen“, sagt der Zweimetermann und streicht Edgar zum Abschied über den Kopf. Und so viel kosten sie auch fast.

An der Alster spaziert eine anspruchsvolle Klientel, die ausgesuchte Hunde wünscht, sagt er. Die Kunden wollen auf Hamburgs grüner Flaniermeile repräsentieren, um nichts anderes geht es. Bevorzugte Rasse: elegant, teuer und klein. „Der typische Alsterläufer sollte möglichst nicht über die Knie reichen“, sagt Schnetzer. Der Renner momentan sind Chihuahuas. Das mag daran liegen, dass sich viele Prominente diesen Hund halten. „Die sind vier Wochen im voraus ausgebucht.“

Es war der richtige Einfall im richtigen Moment, sinniert Schnetzer. Seine Überlegung: Wenn man Pferde stundenweise mieten kann, warum nicht auch Hunde? Menschen wollen flexibel sein.

Schnetzer lächelt breit: „Die Idee von Herrchen und Frauchen auf Zeit ist doch genial.“ Seine spitzen Eckzähne glänzen, er leckt sich die Lippen.

Eine große Idee braucht eine große Leidenschaft, das hat er mal irgendwo gelesen – seine galt schon immer den Hunden.

Die Kunden schätzen seine Leistung: Bestens gepflegte Hunde, gut dressiert. Die Vierbeiner machen was her. Spitz Lola etwa. Ein Mann im Business-Anzug kommt auf Schnetzer zu, Lola im Schlepp. Mit einer zarten Geste verabschiedet sich der Mann von dem Spitz und bellt in Richtung Schnetzer: „Nächste Woche, selbe Zeit.“ Schnetzer nickt und wartet, bis der Mann außer Hörweite ist.

„Ein Stammkunde, tragischer Fall“, sagt er. Der Kunde habe ein normales Leben geführt, mit Frau und Hund. Dann die Scheidung, sie bekam das Sorgerecht für den Spitz. „Einmal in zwei Wochen durfte er seine Stella sehen.“ Schnetzer schluckt. Der Mann verstieß gegen die Auflagen, spielte heimlich mit seiner Hündin im Garten. Heute darf er sich Stella lediglich bis auf 200 Meter nähern.

Ein schwaches Kläffen holt Schnetzer zurück. Lola trägt schwer am Hundeoutfit von Modezar Rudolf Mooshammer. Nerzmäntelchen, Schmuckhalsband und goldgesprenkelte Leine. Hat Schnetzer von einer zufriedenen Kundin geschenkt bekommen, ein Erbe ihres verstorbenen Pudels. Exklusive Hundeoutfits sind jetzt en vogue, sagt er und überlegt laut, seinen Vorrat an Designeraccessoires aufzustocken.

Schnetzer ist geschäftstüchtig. Dass er als Einziger in Hamburg das Hundeparfum „Oh My Dog“ der Pariser Firma „Dog Generation“ verkauft, hat sich inzwischen rumgesprochen. „Da hat sich ein lukrativer Nebenerwerb aufgetan.“ Gedankenverloren kratzt er sein linkes Bein. Schnelle, ruckartige Bewegungen lassen seinen massigen Körper vibrieren. Schnetzer hat Gegner. Auch sie mögen Hunde, aber nicht sein Geschäft: Tierschützer. Sie stören ihn kaum: „So ein Hundeleben kann ich jedem Vierbeiner nur wünschen.“ Viel Auslauf, Liebe und Drei-Sterne-Futter. Außerdem: „Hunde gehen nicht mit jedem mit. Die riechen Freund oder Feind.“

Mittelfristig plant er Zuwachs für seine Hundeflotte. Denn Schnetzer will expandieren. An die Elbe zuerst. Da warte allerdings eine ganz andere Zielgruppe, „das bedeutet andere Hunde“. Der ideale Elbläufer sei mehr ein Familienhund wie Golden Retriever oder Neufundländer. Kinderlieb, verspielt und robust. Neulich war er in Düsseldorf. Auch an der Rheinpromenade sieht er Potenzial für eine Hundestation. Entweder als Dependance oder als Franchiseunternehmen. Aber jetzt will er erst einmal einen Studenten einstellen. Alleine schafft er den Ansturm nicht mehr. Voraussetzung: Tierlieb muss er sein.

MARION PRETTIN