Gebührengegner ohne Legitimation

Wittens Studierende verteidigen das Bezahlstudium der taz: Dort studieren Stützeempfänger – trotz Gebühren

Studierende der Universität Witten/Herdecke fühlen sich nicht als „anthroposophische Spinner“, wie ein Studentenvertreter die Kommilitonen der privaten Uni geschmäht hatte. (taz vom 19. 10. 04) „In Witten studieren nicht nur Richi Bitchis“, sagt etwa Christian Gingert, „sondern viele, die von Bafög und Sozialhilfe leben.“ Und die hätten trotzdem kein Problem, die Gebühren zurückzuzahlen – nach ihrem Studienabschluss in Raten, die nicht zu hoch sind.

Die taz hatte letzte Woche ein Gebührenmodell präsentiert, das in Selbstverwaltung der Studierenden steht. Die Studierendenschaften könnten so – etwa durch Befreiung für bestimmte Studis – garantieren, dass die Gebühren sozial bleiben – und voll den Unis zugute kommen. (taz vom 20. 10. 04) Dagegen hatten Studivertreter staatlicher Anstalten protestiert – und die eigentlichen Erfinder des Modells, die Wittener Studierenden, beschimpft. Diese reagieren nun.

„Ich bin selbst ein Beispiel dafür, dass Studiengebühren in einem selbst verwalteten Kontext absolute Chancengleichheit gewähren“, schrieb Lukas Harlan. „Ich konnte als vormaliger Sozialhilfeempfänger das Studium in Witten aufnehmen, weil ich von dem ‚umgekehrten Generationenvertrag‘ profitiere.“ Diese Art Vertrag ist die Basis des Wittener Modells: Es sieht vor, dass die Studierenden nach ihrem Studium acht Jahre lang acht Prozent ihres jeweiligen Gehaltes zurückzahlen.

„Klar sind wir Spinner“, meint Stephan Schaller. „Weil wir mit Freude jeden Monat Geld an unsere Hochschule überweisen – und als Dank ein außergewöhnliches Studienkonzept, Mitbestimmung und ein selbstverantwortliches Studium erdulden müssen.“

Die gebührenkritischen Studivertreter hatten überwiegend argumentiert, Bildung sei zu 100 Prozent staatliche Angelegenheit – Studis hätten sich lediglich intellektuell am Studium zu beteiligen. „Mit der gleichen Logik könnte man beschließen, ab sofort die Steuerzahlungen an das demokratische Deutschland einzustellen“, sagte dazu Henry Lahr. Er vermutet, dass die Studentenfunktionäre deswegen so hart gegen Gebühren seien, „weil sie sich so auf eines der letzten verbliebenen Refugien persönlicher Profilierung stürzen können“. Lahr sprach den Studivertretern ihre Legitimation ab, weil sie sich auf Wahlbeteiligungen von nur zwei bis fünf Prozent stützen könnten. TAZ

Siehe auch taz-Beilage vom 26. 10. 04