Schlechte Laune bei VW do Brasil

Trotz realer Lohnerhöhung ist die Stimmung im brasilianischen Volkswagenwerk auch nach Streikende düster. Die Belegschaft hat das Vertrauen in den Konzern verloren

PORTO ALEGRE taz ■ Der zehntägige Streik im brasilianischen Volkswagen-Werk von São Bernardo do Campo ist zu Ende. Belegschaft und Management haben den Schiedsspruch eines örtlichen Arbeitsgerichts akzeptiert, das eine Lohnerhöhung von 18 Prozent angeordnet hatte. Damit haben die 21.800 VW-Arbeiter in der Großregion São Paulo zum ersten Mal seit drei Jahren eine Reallohnerhöhung von zwei Prozent erstritten. Doch feiern wollte niemand.

Nach dem Beginn des Streiks in der brasilianischen Autoindustrie Ende Oktober, an dem sich rund 25.000 Beschäftigte bei Ford, Mercedes-Benz und VW beteiligt hatten, hatten die Konkurrenzfirmen rasch eingelenkt – nur VW hatte sich weiterhin unnachgiebig gezeigt. 2003 habe man das schlechteste Ergebnis der letzten zehn Jahre eingefahren, rechtfertigt Firmensprecher Flávio Chantre das Vorgehen des Konzerns. Was für Chantre eine „kohärente Position“ darstellt, ist für Gewerkschaftschef José Lopez Feijóo schlicht „Unnachgiebigkeit“ und „mangelnde Sensibilität“. Nach der „Vergiftung des Betriebsklimas“ in den vergangenen Monaten müsse das Management umdenken, „damit die Arbeiter wieder stolz darauf sein können, bei VW zu arbeiten“, sagte Feijóo.

Der Unmut der Metaller von São Bernardo do Campo hat eine lange Vorgeschichte: Vor zwei Jahren wurde ein Abkommen ausgehandelt, das als Gegenleistung für Flexibilierungsmaßnahmen und Lohneinbußen eine Arbeitsplatzgarantie bis November 2006 enthält. Doch die sollte offenbar durch einen Plan zum Stellenabbau ausgehebelt werden, den die Firma im Juli präsentierte.

Erst nach einem zehnwöchigen Arbeitskampf, bei dem Konzernchef Bernd Pieschetsrieder von Wolfsburg aus mit Kündigungsdrohungen Öl ins Feuer goss, lenkte VW ein. Demnach können die 2.000 „überschüssigen“ Mitarbeiter jetzt wählen, ob sie drei Jahre lang bei vollem Lohnausgleich zu Hause bleiben oder an Fortbildungsmaßnahmen teilnehmen wollen. Nach Firmenangaben wurde diese Einigung für das dritte Quartal 2003 als „Restrukturierungskosten“ in Höhe von 120 Millionen Euro verbucht.

Warum VW gegenüber der wohl professionellsten Gewerkschaft des Landes weiterhin so plump agiert, ist unklar. Jedenfalls leidet nicht nur das Betriebsklima, sondern auch das Image. Jetzt überschatteten die Streiknachrichten die Präsentation des ersten in Brasilien entwickelten Modells: 2004 soll der Kompaktwagen Fox im Werk bei Curitiba 130.000-mal vom Band laufen. Davon gehen 30.000 Exemplare in den Lateinamerika-Export, für den europäischen Markt ist eine aufgepeppte Version geplant. GERHARD DILGER