Die Einsicht des Architekten

Im Mai stoppte der Senat den Bau der Gedenkstätte Topographie des Terrors. Nun sprach Architekt Peter Zumthor erstmals öffentlich über sein gescheitertes Projekt

„Es war schrecklich! Für alle!“, sagt Peter Zumthor. Laut und mit Nachdruck, dann schweigt der Schweizer Architekt einen Moment, als gäbe es nach diesem Satz lange nichts mehr zu sagen. Er steht da, aufrecht und mit hängenden Armen. Wie ein Schauspieler mit großer Bühnenpräsenz. Aber die Verzweiflung ist echt. Es ist das erste Mal, dass Zumthor nach der Absage durch den Senat über sein Bauwerk am Ort des ehemaligen Gestapohauptquartiers Resümee zieht. Er spricht in der Akademie der Künste. Der Zulauf am Dienstagabend ist enorm. Wer keine Karte mehr bekommen hat, hockt draußen vor Monitoren.

Zumthor wollte so viel. Ein Kunstwerk wollte er schaffen. An den Ort der Verbrechen der Gestapo wollte er etwas bauen, das kein Vorbild hat. Einen Bau, der reine Konstruktion ist, die kein Innen und kein Außen hat.

Das Gestapo-Hauptquartier in der heutigen Niederkirchnerstraße wurde im Krieg beschädigt und später abgerissen. Mitte der 80er-Jahre begann die heutige Stiftung „Topographie des Terrors“, sich mit dem Gelände zu beschäftigen. Fundamente wurden freigelegt. In einem provisorischen Pavillon informiert eine Ausstellung über die Geschichte. „Diese Aufklärungstafeln verstellen den Ort“, missbilligt Zumthor. Er wollte einen direkten sinnlichen Zugang zu dem Ort schaffen, in dem die Erinnerung gespeichert sei, wie er sagt. Im Erdgeschoss hätte er als Boden die blanke Erde belassen. Hinter Glastafeln hätte er Fundstücke gezeigt. Erst die oberen Etagen hätte er der geschichtlichen Aufklärung zugedacht. Sein Bau hätte aus weißen Betonstreben bestanden – nackt, ohne Fassade, damit nichts verstellt werde. Das Publikum hält buchstäblich den Atem an, als er seine schlichten, schönen Konstruktionen an die Wand projiziert. Auch Zumthor hört man über das Mikro nur ganz leise atmen.

Vor elf Jahren begann der Architekt. Am Anfang stand die Idee. An technischen Lösungen arbeiteten dann eine Dekade lang Architekten, Baufirmen, Ingenieure. Zuerst standen 46 Millionen Mark für das Projekt bereit. 1999 hieß es, 70 Millionen würden gebraucht. Dann: 76 Millionen Mark. Heute spricht der Architekt von 38,9 Millionen Euro. Zwei Baufirmen haben Konkurs gemacht. Eine tragfähige Idee, wie zwischen den Betonstreben Glas eingepasst werden könnte, damit man die Räume in den oberen Etagen überhaupt nutzen könnte, entstand im vergangenen Frühjahr. Elf Jahre nach Projektbeginn.

Nun ist ein anderer Mann aufgestanden, der ebenso graues Haar hat wie Peter Zumthor. Reinhard Rürup ist ehemaliger Direktor der Stiftung Topographie des Terrors. Er ist gemeinsam mit dem Architekten an dessen Projekt gescheitert. Im letzten Frühling trat er als Direktor zurück, denn weder die Bauverwaltung noch Zumthor konnten einen realistischen Zeitpunkt für die Übergabe des Gebäudes nennen. Die Entscheidung des Senats war unvermeidlich, sagt Rürup. Entschieden haben Kultursenator Thomas Flierl, Bausenatorin Ingeborg Junge-Reyer und Kulturstaatsministerin Christina Weiss im Mai dieses Jahres. Grund: wahrscheinliche Mehrkosten von 3 bis 5 Millionen, unkalkulierbarer finanzieller Aufwand für den Betrieb des Gebäudes.

Strittig bleibt nun höchstens noch die Zukunft von drei Erschließungstürmen, die in den zehn Jahren errichtet wurden. Nach heutigem Stand sollen sie abgerissen werden. Eine Zwischennutzung, die von aktionistischen Architekten vorgeschlagen wurde, lehnen Senatsverwaltung und Stiftung gleichermaßen ab. Nun kommt es zu einer Neuausschreibung.

12 Millionen Euro sind verbaut worden – zwei Firmenpleiten, persönliches Scheitern, der Leidensweg einer Idee. „Ich habe Respekt davor, dass man irgendwann sagt: Es geht nicht“, sagt Peter Zumthor. TINA VEIHELMANN