Im Zeichen der Mädchen

Die Knappheit filmischer Labyrinthe des Coming-of-age im neueren polnischen Kino : Maciej Pieprzycas „Inferno“ und Artur Urbanskis „Bellissima“ im Metropolis

Der monatliche Termin für das neuere polnische Kino im Metropolis steht diesmal ganz im Zeichen der Mädchen. Drei Abiturientinnen präsentiert Maciej Pieprzyca in seinem halluzinatorischen Spielfilm Inferno, und Artur Urbanski widmet Bellissima, dessen Titel er einem Visconti-Drama von 1951 entlehnte, einer 15-Jährigen, deren Mutter sie zum Top-Model machen will. In jeweils einer Stunde entwerfen die beiden Regisseure mit bemerkenswerter Knappheit filmische Labyrinthe des Coming-of-age.

Ganz direkt spiegelt Pieprzyca die ausweglose Suche seiner Mädchen nach ein bisschen Glück in dem Bild eines Labyrinths, das eine von ihnen malt. Sie wird es im Laufe des Films ein paar Mal überarbeiten. Mal kündet es nur von Hoffnungslosigkeit, mal deutet ein rotes Gewächs zugleich auf Zuversicht wie auf drohende Gewalt. Xena will Künstlerin werden. Inga träumt von einer Karriere als Schauspielerin, und Ania möchte Marketing studieren. Selbstbewusst schmettern die Freundinnen zu Beginn vor der Tafel „Abi 2000“ ihre Zukunftspläne in die Kamera.

In einer vertrackten zeitlichen Struktur erzählt uns Pieprzyca von den Wochen bis zum Abi-Ball. Mit impressionistischen Kamerabildern zeichnet er die Hölle, zu der das Wohnen in einer Hochhaussiedlung, eine chronisch unterfinanzierte Schule, streitsüchtige Eltern, Klassenkameraden, ja sogar die Freundinnen sich untereinander, das Leben machen. In dokumentarischen Aufnahmen streut er Fragmente eines Schweigemarsches von Schülern und Lehrern ein, deutet damit auf eine Gewalttat, die erst gegen Ende des Films gezeigt wird. Ein Zusammenschnitt der Eingangssequenzen zieht schließlich düstere Bilanz.

Die Struktur der Ausweglosigkeit wählte auch Urbanski für sein eindringliches Porträt einer von zahlreichen Projektionen umstellten Mutter-Tochter-Beziehung: Bellissima, ansonsten einer gradlinigen Erzählweise verpflichtet, beginnt und endet mit einer Geburt. Für die Model-Karriere ihrer Tochter Marysia geht die Kosmetik-Ausbilderin Elzbieta schon auch mal mit einem Agenten ins Bett. Nach Italien soll das Kind, raus aus Polen, internationale Karriere machen. Das Aufbegehren gegen die Methoden der Mutter treibt Marysia in die Arme des scheinbar freundlichen Nachbar-Pärchens. Resigniert kehrt sie schließlich nach Hause zurück. Doch als das Gewünschte erreicht ist, kehren sich die Machtverhältnisse im Mutter-Tochter-Verhältnis um. An einem Neugeborenen wird Marysia letztlich exerzieren, was ihr selbst widerfahren ist.

Beide Filmemacher erzeugen auf der Tonspur eine ständige Stimmung des Unbehagens. Und auch bei der Inszenierung ihrer Räume haben sie sich von einem großen polnischen Regisseur inspirieren lassen: Nicht selten, etwa wenn Marysia durch das Froschauge des Türspions blickt, fühlt man sich an einen der frühen Filme Roman Polanskis erinnert. Jana Babendererde

Sonntag, 16.11., 19 Uhr, Metropolis