DER BAHNSTREIK IN ÖSTERREICH IST FÜR DIE GEWERKSCHAFT GEFÄHRLICH
: Die „Rot raus, Schwarz-Blau rein“-Reform

Die Bahn streikt. Das wäre nichts Ungewöhnliches für Italien – für Österreich, wo Streiks jahrzehntelang in Sekunden gemessen wurden, bedeutet es Ausnahmezustand. Begleitet von der irritierten Frage: Ja dürfen die denn das – streiken? Die Antwort der Regierung darauf ist klar: Nein, im geschützten öffentlichen Bereich Bahn nicht – weswegen der Bahn-Vorstand den Mitarbeitern mit Entlassung droht. Was die Fronten zwischen der konservativen Regierung und der roten Bastion Bahn-Gewerkschaft weiter verhärtet. Laufen doch die Eisenbahner gegen die Bahn-Reform Sturm und fürchten eine Zerschlagung des Unternehmens.

Mit der Kritik sind sie nicht allein: Der Sinn der Reform ist unter Experten mehr als umstritten, selbst der konservative Präsident des Rechnungshofes kritisiert sie. Argumente irritieren die ÖVP-FPÖ-Regierung aber seit Jahren nicht – unbeirrt baut sie den Staat um und folgt dabei strikt dem schlichten Motto „Rot raus, Schwarz-Blau rein“. Das Ganze nennt sie dann Reform, deren Notwendigkeit nur sture rote Gewerkschafter nicht einsehen wollen. So ist es bei der Polizeireform geschehen, so geschah es bei der Reform der Sozialversichung – und so geplant ist es auch bei der Bahn-Reform. Diese atmosphärische Ebene entlang strikt ideologischer Raster ist es, die den Arbeitskampf der Bahn zum Show-down zwischen Regierung und Gewerkschaften werden lässt.

Für die streikunerfahrene Gewerkschaft ist dieser Machtkampf gefährlich. Bisher nutzt der Streik nur der Regierung: Der Feind von außen eint sie, all die internen Streitereien der vergangenen Monate sind vergessen. Selbst Störenfried Jörg Haider schimpft derzeit mal nicht auf die Wiener Koalition – sondern auf die Eisenbahner, gegen deren vermeintliche Privilegien sich in der Neidgenossenschaft Österreich prächtig polemisieren lässt. Noch ist die Regierung nicht bereit, die Bahn-Reform mit der Gewerkschaft neu zu verhandeln. Noch streikt die Bahn. Noch ist Österreich im Ausnahmezustand. EVA LINSINGER

Die Autorin ist Redakteurin des Standard in Wien