Knast-Atmosphäre

Nervöse Mutter, kühle Tochter: „Eisen“ von Rona Munro handelt von einer schwierigen Annäherung

Womit stillt man seine Sehnsucht nach Leben, wenn man mit „Lebenslänglich“ im Gefängnis sitzt? Wie füllt man seine leeren Stunden mit Bildern vor dem geistigen Auge? Die Hauptfigur in Rona Munros Theaterstück Eisen hat nach 15 Jahren Knast nicht mehr damit gerechnet, noch einmal Besuch zu bekommen. Fay (Monica Bleibtreu) hat ihren Mann umgebracht, mit einem Küchenmesser. Plötzlich sitzt sie ihrer Tochter (Louisa Stroux) gegenüber und klammert sich an den letzten Strohhalm, auf den sie hoffen kann.

Das Stück ist ein Zwiegespräch von Mutter und Tochter. Und ein verzweifelter Kampf. Schon die Bühne erzeugt ein Gefühl der Ohnmacht. Bühnenbildner Lars Peter hat es geschafft, die erdrückende Knast-Atmosphäre mit schlichten Mitteln herzustellen. Kalte Metallwände an den Seiten und überdimensionale Gitterstäbe markieren das Besuchszimmer. Die ansteigende Bühnenfläche lastet schwer auf dem Geschehen. In einem grauen Jogginganzug und kurz geschorenem Haar tritt hier Fay ihrer Tochter Josie gegenüber, einer erfolgreichen, aber unterkühlten Geschäftsfrau.

Unbeholfen und hektisch beginnt das Gespräch. Beide haben Angst vor Fehlern, kämpfen um eine Beziehung, die es nach 15 Jahren nicht mehr gibt. Wie sollte das auch gehen, angesichts der schrecklichen Gewalttat? Die Tochter will endlich ihre Erinnerungen wieder gewinnen, die an ihre Kindheit und den Vater. Alles vor ihrem elften Geburtstag ist in ihrem Kopf wie ausgelöscht. Nur wiederstrebend hilft ihr Fay auf die Fährte, denn am Ende steht die Frage nach dem Motiv für die Tat. Die Mutter will viel lieber über die Welt draußen reden und nutzt die Erzählungen ihrer Tochter für ein Leben aus zweiter Hand.

Monica Bleibtreu spielt eine getriebene und zutiefst verzweifelte Frau, fahrig und unfokussiert im Gespräch, gierig an den Lippen ihrer Tochter hängend. Regisseurin Ulrike Maack hat das Stück mit viel Tempo inszeniert. Sie lässt keine Rührseligkeit aufkommen, die Geschichte wird quasi im schnellen Schritt mit hochgezogenen Schultern präsentiert. Das ist konsequent, auch wenn man den Zuschauern am Anfang des Stücks etwas mehr Eingewöhnungszeit hätte geben können. Auch die SchauspielerInnen hatten bei der Premiere leichte Anlaufschwierigkeiten. Trotzdem, der Schlussapplaus war verdient.

Christian Rubinstein

Nächste Vorstellungen: Freitag und Samstag sowie am 2.,3.,5. und 6. November, 20 Uhr, Kammerspiele