Witze mit Wirkung

Wo sonst nur Sendungen wie „South-Park“ laufen, wird im US-Wahlkampf satirischer Journalismus gemacht: „The Daily Show“ auf „Comedy Central“

VON CARLA PALM

John Kerry kann manchmal etwas umständlich sein. Wenn seine Berater ihn auf ein Problem aufmerksam machen, fallen dem Senator sofort zehn weitere ein. Aber anstatt bei den schwergewichtigen Nachrichtensendungen von CNN, Fox oder NBC Wahlkampf zu machen, ließ Kerry alle Vorsicht fahren und entschied sich für einen Besuch bei der täglichen Late-Night-Satire „The Daily Show with Jon Stewart“, die beim Spaßsender „Comedy Central“ läuft.

Dies war ungefähr so, als hätte Angela Merkel der Titanic ein Exklusivinterview gegeben und der FAZ abgesagt. Kerry sicherte sich damit die Sympathien von Millionen von Jungwählern, für die „The Daily Show“ zur wichtigsten Informationsquelle für Nachrichten über den Präsidentschaftswahlkampf geworden ist. Die Auftritte von Moderator Jon Stewart darf kein Mitglied der College-Generation von Berkeley bis Harvard verpassen, sein vermeintliches Bildungswerk „Amerika – The Book“, führt seit zwei Wochen die New York Times-Bestsellerliste an.

Witziger als Jay Leno und bissiger als David Letterman spottet Jon Stewart jeden Abend eine halbe Stunde lang über die Politik und ihre Akteure. Etwa über das schiefe Mafia-Grinsen von Dick Cheney oder den Südstaaten-Slang von John Edwards. Auch über die Medien zieht Stewart her. In seiner Show verbindet er Late-Night-Elemente mit einer Parodie auf typisch amerikanische News-Sendungen, inklusive Eröffnungsfanfare und zugeschalteten Korrespondenten, die im Dialog mit Stewart Nonsens-Interviews führen.

Informationen bleiben trotzdem bei den Zuschauern hängen: Laut der Umfrage eines Washingtoner Meinungsforschungsinstituts ist „The Daily Show“ für 21 Prozent aller Jugendlichen zwischen 18 und 29 Jahren die einzige Nachrichtenquelle. CNN oder Fox News finden bei jüngeren Amerikanern immer weniger Interesse.

Der Grund: Stewart ist politischer als Harald Schmidt, ähnlich scharfsinnig, und vor allem darum bemüht, den Medienzirkus der USA humoristisch zu entlarven. Dabei greift er auf Bilder und Themen des Tages zurück. Rund eine Million Amerikaner schalten jeden Abend „The Daily Show“ ein – Tendenz steigend.

Moderator Bill O’Reilly vom Bush-treuen Nachrichtenkanal Fox News sprach mit einer Mischung aus Schrecken und Anerkennung aus, was viele von Stewarts Konkurrenten denken: „Weißt du, Jon, was wirklich beunruhigend ist? Du hast tatsächlich Einfluss bei dieser Präsidentschaftswahl.“

Stewarts Erfolg verunsichert vor allem das konservative Amerika. Zuletzt eckte der umtriebige Moderator bei den Managern der Ladenkette Wal-Mart an. Auf Seite 99 seiner Bestseller-Satire „America – The Book“, in dem Stewart die amerikanische Geschichte und Verfassung aufs Korn nimmt, sind die Richter und Richterinnen des US-Supreme-Court in einer Fotomontage nackt abgebildet. Die Köpfe sind echt, die Körper borgten sich Stewart und seine Co-Autoren bei einer Nudisten-Webseite. Weil die Passage nicht mit den Wertevorstellungen von Wal-Mart übereinstimmt, entfernten Mitarbeiter das Buch vergangene Woche aus den Verkaufsregalen. Bitter für die Verleger, da Wal-Mart etwa 20 Prozent des Buchabsatzmarktes in den USA ausmacht.

Stewart reagierte prompt: In der „Daily Show“ zeigte er einen Bericht über das rüde Expansionsgebaren der Handelskette. Wenn Wal-Mart einen neuen Superstore in Mexiko aufbaut, dann, so Stewart, natürlich auf alten Maya-Ruinen: „Das war neu für Wal-Mart. Ausnahmsweise lag schon alles in Schutt und Asche, bevor ein Superstore aufmacht.“