Beautify America

Prunksters (6) – die wöchentliche Kolumne aus den USA von Henning Kober. Heute: Hung und die First Ladys

Winterstern leuchtet über dem Rockefeller Center. Auf der Lower Plaza liegt frischer Schneekristall. Hübsche Mädchen schliddern, geschützt von Pelzmützen und sanft getönten Sonnenbrillen, eine erste Runde. An den Flanken: Ein sanft wogendes Sternenbanner-Meer, Passanten, die versuchen, den Augenblick mit einem Fotoblitz zu fangen.

Auf einer Großbildleinwand Bill Clinton, der sagt: „Nichts an Amerika ist so falsch, dass es nicht von dem, was gut ist an Amerika, geheilt werden kann.“ NBC zeigt bis zum Wahltag ein Best-of großer amerikanischer Demokratiemomente.

Gegen die Bande vor der golden Prometheus-Statue lehnt Hung. Bis auf die weißen Schlittschuhe ganz in Schwarz. Steht da, beobachtet. Nutzt dann eine Lücke, zieht einen rasanten Slalom um die Eisprinzessinnen, libellenhaft seine Bewegungen. „DJ Keoki“, zeigt er später, als wir vor dem Rock Center Cafe sitzen, auf der Playlist seines iPod. „Geht direkt in Arsch und Taille.“ Der 24-Jährige, der als er elf war mit seiner Familie aus Ho-Chi-Minh-Stadt einwanderte, studiert Design. Seiner Obsession entsprechend.

Hung ist ein Astronaut der Farben. Die Worte galoppieren ihm davon, spricht er von „Beautify America“. Eine Idee, geborgt von Lady Bird Johnson, Ehefrau des 36. Präsidenten. Die Texanerin lies Highways im ganzen Land mit Wildblumen bepflanzen. „Wer das lächerlich findet, verhöhnt die Poesie“, glaubt Hung. „Die mächtigste Gewalt der Stimmung sind die Farben. Schafft man die richtige Abmischung, ist das d-i-e gute Droge.“

In diesem Moment: Stille. Wie auf Kommando. Auf dem ganzen Platz. Selbst die laut um die Schönheit ihrer Puppen streitenden Schwestern stehen gebannt, Mund leicht geöffnet. Die große Leinwand zeigt Jackie Kennedy, ein Ausschnitt aus der „White House Tour“. „Das ist so kompliziert.“ Ihre Stimme stolpert. Pause. Nach einer langen Weile: „Ich weiß es nicht.“ Die Tonanlage transportiert ihre Unsicherheit perfekt abgemischt. Wir sehen eine liebenswert labile Seele.

Hung beißt auf den Knöchel seines Fingers. „Sie ist Miss Golightlys Sister-in-Crime“. Holly, die in Tiffanys verliebt ist, und Jackie, beide flackernde Sterne, immer an der Kante balancierend. Auch Hung, dieser große Idealist und Prunkster, wandelt so. Um die Rechnungen zu bezahlen, arbeitet er bei Starbucks. 8,90 Dollar pro Stunde plus Tips. McDonald’s bezahlt drei Dollar weniger. Die Müdigkeit raucht er durch eine Pfeife. Und meint mit einem leichten Lächeln: „Schlafen ist doch nur schlechte Schminke.“ prunksters@taz.de