Etat bringt grünen Regierungschef zu Fall

Lettlands Regierung tritt zurück. Das dürfte auch Folgen für die lettische EU-Kommissionskandidatin haben

Im Frühjahr hatten sie Indulis Emsis als einen der ihren gefeiert. Europas Grüne konnten den ersten grünen Ministerpräsidenten in ihren Reihen begrüßen. Emsis war zudem dieses Kunststück auch noch in einem der neuen EU-Länder gelungen. Doch der Stolz über Europas erste grüne Regierung wich bald einer gewissen Ernüchterung. Und nicht nur Daniel Cohn-Bendit murmelte dieser Tage im Europaparlament etwas von „angeblichen Grünen“ ins Mikrofon.

Gemeint hatte er in erster Linie Lettlands unter Korruptionsvorwürfen stehende Kommissionskandidatin Ingrida Udre. Doch getroffen wurden damit natürlich auch Emsis und seine „Grünen/Bauernverband“, die für deren Ernennung verantwortlich waren und sich nicht nur mit dieser Wahl Fragen nach ihrem politischen Hintergrund stellen lassen mussten.

Ihre Ernüchterung teilten Europas Grüne mit den LettInnen. Die Regierung Emsis war von vorneherein eine Verlegenheitslösung gewesen. An die Macht gekommen über die Zerstrittenheit der anderen Parteien, konnte sie sich nur auf eine parlamentarische Minderheit stützen. In dieser saß zu allem Überfluss mit der „Volkspartei“ auch noch ein unzuverlässiger Kantonist, in dessen Reihen die Debatte, ob man nicht doch lieber die Seite wechseln sollte, von Anfang an nie verstummen wollte.

Emsis, der kleinste gemeinsame personelle Nenner, auf den man sich einigen konnte, war mit seinen „Grünen“ in diesem wackeligen Gebilde auch noch der kleinste Koalitionär. Das hinderte ihn nicht daran, mit einem Regierungsprogramm zu starten, in dem er nichts weniger als einen radikalen Umbau des Landes versprach: von einem Zuschütten der sozialen Gräben bis zu einer Überwindung der tiefen Spaltung aufgrund ethnischer Herkunft.

Das musste schief gehen. Im Versuch, parlamentarische Mehrheiten zusammenzukratzen, war Emsis zu dauernden Kompromissen und einem anhaltenden Zickzack-Kurs gezwungen. Von rechts wurde seine Regierung als russisch-freundlich verdächtigt. Dabei lehnten große Teile dieser 30-prozentigen Minderheit ihn ab, da er ein von der Vorgängerregierung geerbtes Gesetz, das das Recht zum Gebrauch der Muttersprache in den Minderheitenschulen einschränkte, ohne Änderungen umsetzte.

Statt Gräben zu überwinden wurden diese eher vertieft. Bei den Wahlen zum Europaparlament gewannen nationalistische Parteien. Die Koalition errang gerade einen von neun Sitzen und war damit eigentlich schon im Juni am Ende.

Wenn man seither trotzdem mehrere Misstrauensvoten überlebte, dann nur, weil die von rechts eingebrachten von links nicht unterstützt wurden. Und umgekehrt.

Der nicht angekündigte Dolchstoß des Koalitionspartners „Volkspartei“ bei der wichtigen Budgetabstimmung deutet darauf hin, dass hinter den Kulissen bereits eine Ersatzregierung wartet. „Neue Zeit“ und „Für Vaterland und Freiheit“, die dieser Koalition neben der „Volkspartei“ angehören dürften, werden es eilig haben, sie zu bilden. Schon um Ingrida Udre als Kandidatin des Landes für Barrosos Kommission zurückzuziehen. Sie halten diese nämlich für komplett unfähig und eine „Schande für Lettland“. Damit wären sie sich wohl sogar mit der Mehrheit der grünen Europaparlamentsfraktion einig.

REINHARD WOLFF