Die Nadeln gesetzt

Zwei Stunden weniger Schmerz: Auch in Hamburg bieten immer mehr Hebammen und FrauenärztInnen spezielle Akupunkturbehandlungen zur Geburtsvorbereitung an

Durch Akupunktur verkürzt sich die Geburt um rund zwei Stunden

von ELKE SPANNER

Chinesische MedizinerInnen, die Urväter und -mütter der Akupunktur, würden den Kopf schütteln über deren Entwicklung in Deutschland. Niemals wird in China eine werdende Mutter genadelt, wenn sie keine Schwangerschaftsbeschwerden hat. Nur prophylaktisch, zur Vorbereitung der Geburt, „beeinflussen chinesische MedizinerInnen die Einheit von Mutter und Kind nicht“, erklärt Elske Rasenack, Hebamme im Geburtshaus in Ottensen (www.geburtshaus-hamburg.de). Doch in diesem Punkt ist die chinesische Lehre von wissenschaftlichen Untersuchungen in der deutschen Geburtshilfe überholt. So werden im Geburtshaus und bei immer mehr Hamburger Hebammen und ÄrztInnen im Vorfeld einer Entbindung die Nadeln gesetzt. Denn die Geburt, hat der Mannheimer Frauenarzt Ansgar Römer herausgefunden, verkürzt sich damit im Schnitt um zwei Stunden Schmerz.

In der Schwangerschaft, bei der Entbindung und anschließend im Wochenbett gehört die Akupunktur längst zum Standardrepertoire der GeburtshelferInnen – obwohl die Krankenkassen die Behandlung nicht anerkennen und folglich auch nicht zahlen. In der Frühschwangerschaft setzen ÄrztInnen und Hebammen die Nadeln oft gegen die typische Übelkeit ein. Im weiteren Verlauf lassen sich viele Frauen wegen Schlafproblemen, Wassereinlagerungen oder auch Schmerzen am Ischias akupunktieren. Bei der Geburt selbst, hat man festgestellt, kann die Akupunktur die Schmerzen etwas lindern, der erschöpften Frau neue Kraft geben und die Wehentätigkeit der Gebärmutter fördern. Und auch anschließend im Wochenbett greifen viele Hebammen zur Akupunktur, um etwa den Milchstau zu beheben oder eine Brustentzündung der Mutter zu lindern.

Die geburtsvorbereitende Akupunktur dagegen lindert keine Beschwerden, sondern soll die Entbindung erleichtern. Ab der 36. Schwangerschaftswoche werden der Frau ein- bis zweimal die Woche Nadeln gesetzt. Dadurch werden laut Hebamme Rasenack drei Wirkungen erzielt: Die Schwangere wird gestärkt. Zudem hilft ihr die Akupunktur, sich zu entspannen. Und zum Dritten wird der so genannte „Meisterpunkt“ der Gebärmutter stimuliert und diese dadurch auf die Geburt vorbereitet. „Die Frauen sind dann unter der Geburt entspannter“, sagt auch die Frauenärztin Dorothea Schnieber. „Blockaden, die sich durch Stress und Angst bilden können, werden im Vorfeld etwas gelöst.“

Rasenack aber betont, dass die Akupunktur sich nur auf die so genannte Eröffnungphase auswirkt: Die Zeit, in der sich der Muttermund durch die Wehentätigkeit der Gebärmutter öffnet und sozusagen den Weg freigibt für das Kind. Diese Phase, die bei Erstgebärenden im Schnitt 8–10 Stunden dauert, wird durch die vorbereitende Akupunktur verkürzt. Auf die anschließende Phase, in der das Baby sich auf den Weg durch den Geburtskanal begibt, wirkt die Akupunktur nicht.

Es gibt allerdings auch Kontraindikationen, bei denen Schwangere auf diese Geburtsvorbereitung verzichten sollten. Beispielsweise, wenn sie zu vorzeitigen Wehen neigen, denn dann besteht die Gefahr einer zu frühen Geburt. Oder wenn die Schwangere aus medizinischen Indikationen mit Kaiserschnitt entbinden muss. Um solche Indikationen abzuklären, müssen alle interessierten Schwangeren vor der Akupunktur zum Vorgespräch. Das Geburtshaus in Ottensen beispielsweise bietet dafür eine „offene Hebammensprechstunde“ an.

Auch in Kliniken wird die geburtsvorbereitende Akupunktur inzwischen eingesetzt. Im Allgemeinen Krankenhaus Heidberg etwa empfehlen die Hebammen diese Behandlung sehr. Wenn die Gynäkologin Schnieber in ihrer Praxis in Horn Schwangeren die vorbereitende Akupunktur nur auf Nachfrage empfiehlt, ist der Grund nicht medizinischer, sondern finanzieller Natur: Da die Kassen die Kosten nicht tragen, müssen die Schwangeren sie aus eigener Tasche bezahlen. Und dass sie ihnen etwas verkaufen will, dieses Gefühl will die Gynäkologin ihnen nicht vermitteln.