Himmel voller Geigen

Stagnierende Umsätze, wegsterbende Zielgruppe: Das ZDF versucht, mit einem Klassik-Pop-Event junge Leute an die schwere Muse heranzuzführen

von SILKE BURMESTER

Diese Kombination ist ein Fest für jeden Paartherapeuten: Der eine (der Sender) richtet seine Existenz fast ausschließlich nach Alten aus, die andere (die Klassik) existiert fast ausschließlich in der Wahrnehmung alter Leute. „Da geht doch was!“, freut sich der geübte Analyst und richtig, es ging was: Die alte Tante ZDF ließ erstmals eine quasi moderne Klassiksendung produzieren.

„Sunday Night Classics“ heißt das Programm, das am kommenden Sonntag läuft und an das jenes hohe Ziel gesteckt wird, junge Menschen an klassische Musik heranzuführen. Die Hintergründe sind simpel: Das als „Kukidentsender“ bekannte ZDF muss seine Zuschauerschaft ebenso wie sein Programm dringend verjüngen, und der Klassik sterben, im wahrsten Sinne des Wortes, die Zuhörer weg.

Im Gegensatz zum Rest der Musikbranche halten sich zwar die Umsätze konstant, doch, da sind sich Branchenkenner einig, wird das Käuferpotenzial über die kommenden Jahre abnehmen. Mit Projekten wie der „Yellow Lounge“, einem Clubevent mit klassischer Musik, oder einer CD-Serie, in der Prominente wie Harald Schmidt oder Iris Berben Stücke ihrer Lieblingskomponisten vorstellen, hat Universal unter der Leitung von Christian Kellersmann in den letzten Jahren bereits versucht, den Staub vom Plattenteller zu kriegen. „Jung“ bedeutet in diesem Zusammenhang alles ab 25 Jahren.

Die Idee zur Sendung hatte der Hamburger Journalist und Musikproduzent Christoph Becker, den Universal als Berater beschäftigt und der bereits früher MME zur Seite stand. Etwa ein Jahr dauerte die Vorbereitung der 75-minütigen Sendung, in der nun Stars wie Pavarotti und Sting, Renee Flemming und Rosenstolz, aber auch die Fetischgeigerinnen der Gruppe „Bond“ auftreten. Das Ohren betäubende, so genannte Crossover der Richtungen Klassik und Pop, das in der Regel der Klangvereinigung zweier in Vollbremsung befindlicher Limousinen gleichkommt, bleibt dem Zuhörer bei diesem Konzept erspart. Beide Genres bleiben nebeneinander stehen. Nur einmal versucht sich die weltberühmte Sopranistin Flemming am Jazz, was sie lieber gelassen hätte. Jazz und Sopran, das ist eben so, als wenn die eigenen Eltern zur Kellerparty kommen. Die Stars sind groß. Auf beiden Seiten. Und dennoch bleibt bei dieser ersten Produktion die Frage, ob das Programm inhaltlich nicht zu glatt ist: Sting, der auch keine Musik für Jüngere macht, sondern für gealterte Lehrer, und Pavarotti, der eine Name, den jeder kennt. Das Duo Rosenstolz ist mit seinem Chanson vielleicht der interessanteste Act des Abends. Ihnen gelingt es, das Genre Pop zu verlassen und beide Zuhörerschaften mitzunehmen.

Diesem Anspruch entsprechend wurden auch die Moderatoren ausgewählt: Enie van de Meiklokjes und Marco Schreyl. Beide führen souverän durch die Sendung. Inhaltlich lösen sie den Anspruch ein, Klassik zu kennen und zu mögen, äußerlich verkörpern sie die junge Zielgruppe, die ZDF und Klassik so dringend brauchen. Kellersmann selbst fällt auf, dass dennoch alles ein wenig steif daherkommt. Das 60 Personen starke Orchester in Frack und langem Rock popt nicht wirklich. „Die müssten Helmut Lang anhaben“, stellt der Anzugträger fest und hat Recht. Universal und das ZDF haben sich die Produktion viel kosten lassen. Die Plattenfirma hat nach eigenen Angaben rund 100.000 Euro plus Gagen investiert, die Gesamtsumme der Produktion dürfte bei 750.000 Euro liegen. Doch für beide Parteien könnten die Sunday Night Classics eine lohnende Investition sein: Universal hält die Namensrechte und hat außerdem dafür gesorgt, dass – bis auf einen Ersatzsänger – nur Künstler auftreten, die bei ihnen unter Vertrag sind. Mehrere ausländische Sender haben bereits Interesse an dem Format angemeldet. Japan ist eines der wenigen Länder, in denen der Klassikmarkt wächst. Die Latex-Damen von Bond werden dort als Offenbarung gefeiert. Die Japaner haben sofort zugegriffen. Die stehen aber auch auf die ZDF-Produktion Derrick.