Opferverbände „negativ“ berührt

Geteiltes Echo zur Entscheidung des Stiftungskuratoriums, das Holocaust-Mahnmal weiter mit Degussa-Produkten zu bauen. Jüdische Gemeinde ist „sehr enttäuscht“. Bischof Huber: „Weise Entscheidung“. Rosh: „Ich hoffe, dass sich das verwächst“

von PHILIPP GESSLER

Auf ein geteiltes Echo ist die Entscheidung des Kuratoriums der Stiftung zum Bau des Berliner Holocaust-Mahnmals gestoßen, das Denkmal mit einem Anti-Graffiti-Mittel von Degussa weiter zu bauen. Kuratoriumsmitglied Alexander Brenner, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, zeigte sich auf Anfrage „sehr enttäuscht“ über das Votum. Die Beteiligung Degussas sei „eine Zumutung“. Die Entscheidung berühre nicht zuletzt die Holocaust-Opferverbände im Ausland „sehr negativ“.

Auch im Namen des Präsidiums des Zentralrats der Juden, dem er angehört, hatte Brenner sich auf der Kuratoriumssitzung am Donnerstagabend gegen eine Degussa-Beteiligung ausgesprochen. Brenner verwies darauf, dass der „überwiegende Teil“ seiner Gemeinde wegen der Symbolik Degussas eine Beteiligung gerade dieses Unternehmens ablehne. Er habe dafür plädiert, das Mahnmal zwar weiterzubauen und die bereits mit dem Degussa-Mittel beschichteten Stelen zu erhalten. Zukünftig aber sollte auf dieses Produkt verzichtet werden. Eine Tochterfirma des Frankfurter Konzerns hatte in der Nazizeit Zyklon B geliefert, mit dem Millionen von Juden in den Gaskammern der Vernichtungslager umgebracht wurden.

Auch der Münchner Historiker Michael Wolffsohn kritisierte die Entscheidung des Kuratoriums. Er meldete Zweifel an dem Argument der Degussa-Befürworter an, dass sich gerade dieses Unternehmen vorbildlich um die Erforschung seiner Firmengeschichte in der NS-Zeit bemüht habe: „Ich selbst wollte Unterlagen der Degussa aus der Zeit des Nationalsozialismus auswerten. Klappe zu, war die Reaktion.“ Die betroffenen Akten seien nicht freigegeben worden.

Das Kuratoriumsmitglied Lea Rosh, die zugleich eine Mitinitiatorin des Holocaust-Mahnmals war, zeigte sich gleichfalls nicht glücklich über den Beschluss: „Für mich ist die Vorstellung fürchterlich, dass jüdische Menschen und Nachkommen von Holocaust-Opfern nicht zu diesem Denkmal kommen. Ich hoffe, dass sich das verwächst.“

Dagegen lobte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Wolfgang Huber, den Beschluss des Kuratoriums als „weise Entscheidung“ – zumal der Streit um die Degussa-Beteiligung nach dem Willen der Kuratoren auch am Mahnmal selber dokumentiert werden soll, nämlich am „Ort der Information“ unterhalb des Stelenfeldes. Eine positive Reaktion kam auch vom New Yorker Architekten des Denkmals, Peter Eisenman. Er begrüßte die Entscheidung für Degussa und lobte die Diskussion über das Thema sowie die relativ einhellige Reaktion der Politik. Das rund 27 Millionen Euro teure Denkmal soll am 8. Mai 2005 eröffnet werden.