Vom Feld in den Straßenbau

Rapsöl kann Erdölemulsionen in Bitumen für die Straßenoberdecke ersetzen. Vorteile: nach Ausbesserungen schneller wieder befahrbar und temperaturbeständiger. Ein Hektar Raps entzieht der Atmosphäre immerhin rund 6 Tonnen Kohlendioxid

VON DIERK JENSEN

Als Ersatz für konventionelle Kraftstoffe hat Raps schon Karriere gemacht. Mit Rapsöl und Biodiesel werden hierzulande schon tausende Autos und Traktoren betankt. Und weil die EU-Kraftstoffrichtlinie vorschreibt, dass bis 2010 knapp 6 Prozent des Kraftstoffbedarfs auf der Basis nachwachsender Rohstoffe hergestellt sein müssen, ist mit einer weiter wachsenden Nachfrage zu rechnen. Zudem wird Rapsöl mittlerweile auch im Bereich der Schmierstoffe, also der Hydraulik- und Motorenöle erfolgreich verwendet und vom Verbraucherministerium finanziell unterstützt.

Weniger bekannt ist, dass Rapsöl künftig auch im Straßenbau eine wichtige Rolle spielen kann. Dabei ist die stoffliche Verwertung von Rapsöl in Bitumenprodukten so neu eigentlich nicht. Denn schon 1993 hat der österreichische Asphaltproduzent Vialit ein Bitumenprodukt entwickelt, bei dem statt Erdölderivaten einheimisches Rapsöl eingesetzt wird. Die Idee zu „Asphalt aus Raps“ kam den Vialit-Geschäftsführern bei einer Reise durch blühende Rapsfelder. „Wieso nicht ein Bitumenprodukt herstellen, das auf Rapsöl basiert?“ Eine innovative Idee, die sofort an die Forschungsabteilung des mittelständischen Unternehmens aus Braunau am Inn weitergegeben wurde. Nach einer Reihe von Tests gelang es, ein funktionstüchtiges Verfahren beziehungsweise ein Bitumen aus Rapsöl zu entwickeln, das man patentieren ließ. „Wir haben damit traditionelle Wege verlassen“, sagt Laborleiter Bleier im Rückblick.

Die österreichische Politik förderte diese Innovation. So erteilt unter anderem das Bundesland Oberösterreich bei öffentlichen Ausschreibungen im Bereich der Straßenerhaltung nur noch an diejenigen Firmen Aufträge, die für die Erneuerung von Verschleißdecken Rapsbitumen verwenden. Dagegen hat sich der Asphalt aus dem nachwachsenden Rohstoff Raps noch nicht durchsetzen können. „Das Bitumen aus Rapsöl ist um 5 bis 10 Prozent teurer als herkömmliche Produkte“, erklärt Straßenbaumeister Klaus Geuder, „und da die öffentliche Hand bei Ausschreibungen im Straßenbau immer wieder das Billigste wählt, stagniert der Einsatz in Deutschland noch.“ Um das Produkt hierzulande zu etablieren, hat Geuder, Geschäftsführer der Geuder Straßenunterhalt GmbH im bayrischen Neusitz, vor zwei Jahren die Arbeitsgemeinschaft (Arge) Rapsasphalt ins Leben gerufen. Inzwischen sind rund 15 Firmen in der Arge vertreten, darunter die Firmen Georg Börner aus Bad Hersfeld, BOT aus Ritschenhausen, Deutsche Vialit in Bonn, Rolasphalt aus Thedinghausen und Colas Bauchemie in Hamburg. „Wenn auch der Absatz momentan noch bescheiden ausfällt, rechnen wir uns für die Zukunft auf jeden Fall etwas aus“, erwartet Tim Puttfarcken, Anwendungstechniker bei Colas Bauchemie, einen expandierenden Markt.

Durchgehend positive Ergebnisse im Test

Noch bevor die Arge gegründet wurde, startete das bayerische Landwirtschaftsministerium im Jahr 2001 ein Pilotprojekt zur Erprobung des Straßenbelags. Dafür wurden Straßen unterschiedlichen Typs mit der Verschleißdecke von Bitumen aus Rapsöl erneuert. Die ersten Praxisergebnisse lagen im Jahr 2002 vor. „Die waren durchgehend positiv“, meint Geuder. Der Fachmann unterstreicht die technischen und klimaneutralen Vorteile des neuen Produkts. „Rapsasphalt erlaubt im Gegensatz zu herkömmlichen Produkten eine schnellere Einfahrzeit. Statt nach vier bis sechs Tage kann der Straßenbelag schon nach zwei bis drei Tagen ungehindert befahren werden. Zudem wird der Erweichungspunkt, also die Temperatur, bei der ein Belag weich wird, von etwa 42 Grad Celsius auf 50 bis 52 Grad Celsius angehoben.“ Außerdem bindet das Bitumen aus Raps besser ab als herkömmliche Produkte. „Durch das natürliche Verharzen von Bioölen wird das Splittmaterial besser gehalten, sodass weniger Splitt verloren geht“, erläutert Geuder.

Auch in Schleswig-Holstein ist mithilfe von Landesmitteln auf einer wenig befahrenen Teststrecke in Dithmarschen schon im Jahr 1999 der Rapsasphalt eingesetzt worden. Wenngleich sich diese Verschleißdecke auch noch nach fünf Jahren in guter Qualität zeige, so Hans-Werner Giertz, Sachbearbeiter Nachwachsende Rohstoffe im Landesministerium für Umwelt, Naturschutz und Landwirtschaft, habe sich seitdem aber wenig Konkretes getan. Zwar sagt Geuder, dass das Ministerium ein großes Interesse habe, „dieses Produkt unters Volk zu bringen“, aber außer einer Informationsveranstaltung gibt es keine politischen Vorgaben bei Ausschreibungen für Erneuerungsmaßnahmen von Landesstraßen.

„Raps in Asphalt braucht einfach ein besseres Image“, hofft Geuder auf eine baldige Marktoffensive. Und zwar nicht nur im Straßenbau, sondern auch auf dem Bau, wo Bitumen beispielsweise für die Herstellung von Dachbahnen verwendet wird. Allein der Einsatz für die Straßeninstandhaltung und in anderen Bausektoren erfordert rund 100.000 Hektar Raps, skizziert der Arge-Vorsitzende Geuder den Bedarf. Seine Rechnung ist so einfach wie einprägsam: Für Bitumen von einem Hektar Straßenoberdecke braucht man ungefähr die gleiche Fläche an Raps. Dabei hebt er auch den klimapolitischen Aspekt hervor.

Der Einsatz von Raps in Bitumen könnte einen erheblichen Beitrag zur Minderung des industriellen Ausstoßes von Kohlendioxid leisten. Ein Hektar Raps entzieht der Atmosphäre rund 6 Tonnen Kohlendioxid, die im Bitumen dauerhaft gespeichert werden. Bei rund 100.000 Hektar Rapsanbau kommt der Lobbyist auf eine Reduzierung von zirka 600.000 Tonnen CO2. Das sei etwa ein Achtel dessen, worüber sich Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Bündnis 90/Die Grünen) und Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) bei ihrem Diskurs über den Emissionshandel erbittert streiten.