Neue Vorwürfe im Polizeiskandal

Weibliche Gefangene sollen schon 1998 versucht haben, sich gegen den jetzt erst suspendierten Polizisten zu wehren. Doch eine Beschwerde gegen Übergriffe im Abschiebegewahrsam blieb ohne Folgen: Die Frauen sind offenbar nie befragt worden

bremen taz ■ Hatte die Innenrevision der Bremer Polizei schon 1998 deutliche Hinweise auf sexuelle Übergriffe auf gefangene Frauen, denen sie nicht gründlich nachging? Nach Aussagen von Beamten gab es 1998 mindestens eine Gefangene, die sich hilfesuchend an einen diensthabenden Polizisten gewendet hatte. Diesem habe sie anvertraut, dass ein namentlich genannter Polizist Frauen im Abschiebegewahrsam sexuell bedränge – jener Mann, der erst im September vom Dienst suspendiert wurde, nachdem bei einer Hausdurchsuchung vier eindeutige Fotos von ihm mit weiblichen Gefangenen im Knast sichergestellt wurden. Die Bilder stammen aus den Jahren 1998 und 1999 und sollen per Selbstauslöser aufgenommen worden sein.

Der Hinweis auf Übergriffe soll damals auch den Leiter des Polizeigewahrsams und die Ermittler der Innenrevision erreicht haben. Eine Ermittlung hat sich daraus jedoch offenbar nicht ergeben. Tatsächlich wurden die Fotos im Sommer dieses Jahres nur gefunden, weil gegen den 46-Jährigen Verdacht auf andere Dienstverstöße besteht. Das letzte Foto datiert von 1999 und wurde im neuen Polizeigewahrsam im Präsidium in der Vahr aufgenommen. Kollegen sind umso entsetzter, als intern bekannt gewesen sei, dass man „auf M. aufpassen sollte“. Dies, so heißt es, sei das einzige Ergebnis der internen Hinweise von 1998 gewesen. Es habe nicht einmal eine zeitnahe Befragung von Frauen im Gewahrsam gegeben. Wieviele Frauen Opfer geworden sein könnten, ist vollkommmen offen, denn der Beschuldigte arbeitete viele Jahre im Abschiebeknast, bis er 2001 an eine Innenstadtwache versetzt wurde.

Die Anweisung von Polizeipräsident Eckard Mordhorst, wonach Kollegen des Beschuldigten während der Jahre 1998 und 1999 an andere Dienststellen versetzt werden sollen, sorgt unter Polizisten für Kopfschütteln. Dies lege eine Vorverurteilung der gesamten Belegschaft nahe. Dies sei umso ärgerlicher, als die zuständigen Stellen damals, nach den Hinweisen von 1998nicht gehandelt hätten. Polizeiintern sei bekannt, dass in den Polizeigewahrsam versetzt wurde, wer woanders angeeckt war. Eine besondere Vorbereitung auf die speziellen Anforderungen dort habe es nicht gegeben.

Heute befasst sich eine Sondersitzung der Innendeputation mit den Vorfällen. Gleichzeitig werden heute weitere Beamte zu den seit Sommer bekannten Sexualdelikten im Abschiebegewahrsam befragt. Die Ermittlungen wegen sexuellen Missbrauchs gehen zurück ins Jahr 1996 und wurden zwischenzeitlich auf einen weiteren Beamten ausgedehnt, der unabhängig gehandelt haben soll. Eva Rhode