„Mama und Papa sollen wieder zusammen sein“

Eine Veranstaltungsreihe beschäftigt sich mit Kindern, deren Eltern sich trennen. Der Beinah-Regelfall ist immer noch von Tabus umstellt

Bremen taz ■ Groß werden ist kein Sahnetorteessen. Die Schule verlangt oft mehr, als drin ist, Geschwister machen einem das Leben schwer und beim Fußball sitzt man neuerdings auf der Reservebank. Wenn sich dann auch noch die Eltern trennen, „kommt zu den normalen Aufgaben noch eine große Aufgabe dazu“ – so formuliert es die Psychologin Ini Friedrichs, die seit Jahren die „Tusch-Gruppen“ für Kinder aus Trennungs- und Scheidungsfamilien leitet. Am Mittwoch wird Friedrichs gemeinsam mit Kollegen die Arbeit dieser Gruppen vorstellen und einen Überblick darüber geben, was Kindern in dieser schwierigen Situation helfen kann. Die Veranstaltung ist Auftakt einer Vortragsreihe der „Kooperationswerkstatt Trennung und Scheidung“.

Obwohl jede dritte Ehe geschieden wird, unterliegen die damit verbundenen Schwierigkeiten noch immer einem Tabu, stellt Ini Friedrichs in ihrer Arbeit fest. „In unseren Gruppen fragen wir die Kinder, wer denn in der Klasse außer ihnen getrennte Eltern hat.“ Die meisten würden dann mit „nur ich“ antworten. Von den PsychologInnen bekommen sie den Auftrag, in der Klasse nachzufragen. „Und siehe da, zwischen drei und zehn sind es immer – auch in Schwachhausen“. Die Psychologin lobt daher besonders die Angebote an einigen Schulen, in denen das Thema in den Alltag der Kinder hineingetragen wird. Auch diese stellen sich am Mittwochabend vor.

Dass die ‚normale‘ Familie immer noch so hoch im Kurs steht, obwohl die Statistik eine andere Sprache spricht, erklärt sich Friedrichs auch mit dem Stempel des Scheiterns, der jeder Trennung aufgedrückt wird. „Dabei kann das auch eine Lösung sein.“ In den Gruppen versuche sie, „mit den Kindern rauszufinden, was jetzt besser ist als vorher“. Dennoch hätten die meisten nur einen Wunsch: „Mama und Papa sollen wieder zusammen sein.“ Eine Faustregel bei ihrer Arbeit sei deshalb, diesem Wunsch einen Platz einzuräumen, aber auch dem Kind klarzumachen, dass es nichts dafür tun kann. „Das ist zwar traurig für die Kinder, aber auch eine Entlastung.“ Denn die Gefahr ist groß, dass die Kleinen Erwachsenen-Rollen übernehmen. Als Tröster, als allzu Selbständige, als Vermittler oder gar Kuppler zwischen den Eltern. Der Rat an die Eltern sei daher: „Kuckt auf die Kinder, kuckt wo ihr helfen könnt, und wo ihr Hilfe von außen braucht.“ Denn: „Auch Eltern müssen diese Krise nicht alleine bewältigen.“

Dabei verstehen sich die „Tusch-Gruppen“ als präventive Familienarbeit. Friedrichs: „Es muss ja keineswegs aus einer Trennung zwangsläufig eine gestörte Entwicklung folgen.“ Viele Kinder seien eben „wacklig“ – so zitiert sie ein Mädchen – und müssten die Balance wiederfinden. Aber es gehört derzeit zum Schicksal präventiver Sozialarbeit, dass sie dem Spardiktat als Erste zum Opfer fällt. „Wir wissen noch immer nicht, ob wir ab nächsten März neue Gruppen anbieten können“, ärgert sich Friedrichs. 3.000 Euro rechnet der Träger für einen knapp halbjährlichen Turnus, insgesamt also 15.000 Euro für die fünf Gruppen, die in Walle und im Viertel zur Zeit laufen. Die Behörde kann aber auch für solche Summen derzeit offenbar keine Zusagen machen. Auch wenn sie die Arbeit der Tusch-Gruppen schon mehr als einmal sehr gelobt hat. Elke Heyduck

Hilfen für Kindern bei Trennung und Scheidung: Mittwoch, 19. 11. um 20 Uhr im Bürgerhaus Weserterrassen. Infos zu Tuschgruppen: ☎ 794 35 01.