Privatwirtschaft hinter Gittern

Nordrhein-Westfalens Justizministerium kündigt ein neues Pilotprojekt zur Kostenreduzierung an: Private Dienstleister sollen sich im Strafvollzug beweisen. Auswirkung auf Häftlinge zweitrangig

AUS WUPPERTALKARSTEN SCHÜLE

Die Privatisierungswelle erreicht Nordrhein-Westfalens Strafvollzug: Ab kommendem Sommer sollen Privat-Kräfte auch in den Gefängnissen Attendorn und Wuppertal Dienst tun. Zwar werden private Wachleute bereits seit einigen Jahren in NRW-Gefängnissen, so etwa in der Abschiebe-Anstalt Büren, beschäftigt, der Einsatz im Strafvollzug dagegen ist neu. „Die Fraktionen von SPD und Grünen haben den Antrag gestellt, zu prüfen, ob sich der Einsatz privater Kräfte auch in diesem Bereich rechnet“, so Ralph Neubauer, Sprecher von Landesjustizminister Wolfgang Gerhards (SPD), zur taz. Es sei geplant, zunächst 17 Personen einer Fremdfirma über die Dauer eines halben Jahres anzulernen. Im Anschluss würden Beamte in andere Anstalten versetzt. Auf den frei gewordenen Stellen hätten die privaten Dienstleister dann zwölf Monate Zeit, „zu zeigen, dass sie das auch können“, erklärt Neubauer. Abschließend bewertet werde das Projekt dann im Sommer 2006.

Schwierig dürfte die Arbeitsteilung besonders bei so genannten „hoheitlichen Aufgaben“ werden – die sind laut Gesetz „Angehörigen des öffentlichen Dienstes“ zu übertragen. „Das sind die Aufgaben, bei denen die Ausübung von Zwang erforderlich werden kann“, schränkt Neubauer ein: Direkter Umgang mit den Häftlingen bleibt den Justizvollzugsbeamten vorbehalten. Privat-Kräfte könnten aber als Fahrer des Gefangenenbusses, in der Küche, der Telefonzentrale oder der Pflege der Außenanlagen eingesetzt werden.

Gregor Falkenhain, bei der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi zuständig für den Strafvollzug, bleibt dagegen skeptisch: Eine klare Abtrennung der Gefangenenbewachung sei in Strafanstalten nicht möglich. „Wir halten es für überaus gewagt, in einem solch sicherheitsrelevanten Bereich zu privatisieren“, sagt Falkenhain. In einem Rechtsstaat sollte das Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung im Vordergrund stehen. Außerdem befürchtet die Gewerkschaft, dass der Einsatz von Fremdfirmen die Belegschaftsstimmung drückt – mit negativen Folgen für die Häftlinge.

Den Sicherheitsaspekt betont auch Peter Biesenbach, justizpolitischer Sprecher der nordrhein-westfälischen CDU: Ausgerechnet in einer Justizvollzugsanstalt wie Wuppertal werde der Einsatz privater Dienstleister„ausprobiert“, klagt er – obwohl dort eine erhöhte Sicherheitsstufe gelte. Grundsätzlich habe die CDU kein Problem mit privaten Kräften im Strafvollzug. Allerdings würden die Mittel „nicht bedarfsgerecht“ eingesetzt. Es könne nicht sein, „dass das Land eine bestimmte Menge an Leuten einkauft und landesweit verteilt“. Schließlich wisse doch jede Haftanstalt selbst am besten, in welchem Bereich sie Bedarf habe – die CDU will den Gefängnissen freie Hand lassen. „Unsinn“ seien dagegen Vorwürfe von Ministeriumssprecher Neubauer, dies sei haushaltsrechtlich nicht durchführbar.

Die FDP-Landtagsfraktion hat dagegen keinerlei Bedenken: Sie will die Liberalisierungswelle auch im Strafvollzug beschleunigen. Als „zu zögerlich“ bezeichnet man den Privatisierungsprozess dort. Public-Private-Partnership-Modelle ließen eine „deutliche Entlastung des Landeshaushalts“ erwarten. Die Gefahr einer Verminderung der Sicherheit der Bevölkerung gebe es nicht – gegensätzliche Stimmen seien eine gezielte Verunsicherung der Bevölkerung.

Auch für die Gefangenen werde es zu keinerlei Verschlechterungen kommen, glaubt zumindest Peter Wolters, Leiter der Justizvollzugsanstalt Wuppertal: „Was soll sich da ändern? Für die Gefangenen bleibt die Situation doch die Gleiche“, versichert der leitende Beamte. Er erwarte vom Justizministerium, dass nur Privat-Kräfte mit entsprechender Vorbildung ausgewählt würden, sagt Wolters: „Für die Gefängnisinsassen wird sich nur eins ändern: Die neuen Leute werden andere Kleidung tragen.“