h&m erobert die provinz
: Billig, aber teuer zu begehren

Die größte Modekette der Welt ändert ihre Werbestrategie – sie macht Perfektion zur Firmenphilosophie. Was ihr fehlen wird: der Charme

Noch vor einigen Jahren konnte sich Frau mit Unterwäsche von H&M ganz sicher sein: Irgendwo in vielen Städten, irgendwo vor vielen Reklamewänden verzauberte genau diese Unterwäsche gerade viele Männer. Sicher sein, dass der Charme eines mittlerweile legendären, namenlosen H&M-Mädchens sie einfing. Sicher sein, dass viele Männer gerade dieses Plakat verstohlen abnahmen und stolz nach Hause trugen. Sicher sein, dass auch sie ein Stückchen dieses Zaubers mit auf ihrem Körper tragen werde. Heute verzaubert nichts mehr.

Heute lachen altgediente Models wie Naomi Campbell oder Schauspielerinnen in fortgeschrittenem Alter wie die sechzigjährige Lauren Hutton in H&M-Kleidern und -Unterwäsche von Reklamewänden. Heute stehen die Werbetafeln in den äußersten Winkeln der deutschen Provinz, in direkter Umgebung zu jeder der neuen H&M-Filialen, die die schwedische Modekette dort eröffnen will. Heute verkauft sich H&M gezielt mit dem Image, das es stillschweigend immer hatte: massenkompatibel, nicht teuer, aber hip.

Wenn plötzlich das Model Naomi Campbell statt des namenlosen H&M-Mädchens für die Wäsche wirbt, ändert sich nicht das Image, sondern ihr Charme: aus „billig, aber begehrenswert“ wird billig, aber teuer zu begehren. Weil man ahnt, dass Naomi Campbell selbst keine H&M-Unterwäsche trägt. Weil bewusst wird, dass über ein schönes, teures Gesicht eine nicht teure Ware verkauft werden soll. Getragen wird sie trotzdem. Aber das H&M-Mädchen wird fehlen. SL