Gefährliche eigene vier Wände

Die eigene Wohnung: nirgendwo verbringt der Mensch mehr Zeit, sie bietet Ruhe, Schutz und Geborgenheit. Doch Schimmelpilz, Asbest, Feinstaub oder Holzschutzmittel können die vermeintliche Wohnidylle wortwörtlich vergiften

VON JOSEPH VARSCHEN

Die Liste der im Wohnbereich auftretenden Gefahrenstoffe ist lang. Besonders in alten Wohnungen aus den sechziger und siebziger Jahren werden häufig gesundheitsgefährdende Schadstoffbelastungen festgestellt. Oft abgehakt und vergessen spielt Asbest für die Experten des Bremer Umweltinstituts weiterhin eine bedeutende Rolle. „Wir haben fast täglich damit zu tun, sei es im Labor oder in einfachen Beratungsgesprächen“, sagt der Biologe Michael Köhler. Im Wohnbereich taucht Asbest oft in Form von Bodenplatten, so genannten Flexplatten auf. Es findet sich aber auch im Hitzeschutz hinter Heizkörpern, in der Isolierung von Heizrohren oder in Kleberzusatz.

Wenn Asbest in der Wohnung ausgemacht wird, erfordert das nicht immer einen Austausch. „Wenn der Stoff fest gebunden, also stabil ist, geht prinzipiell keine Gefahr von ihm aus“, sagt Köhler. Doch sobald er zerfalle, sei die Sache kritisch. Krebserregend wirkt Asbest nur, wenn der Stoff inhaliert wird, dabei sind bereits kleinste Schwebeteilchen gefährlich. Wer bei Renovierungsarbeiten auf Asbest stößt, der sollte, besonders bei beschädigten Material, einen Experten hinzuziehen – der Gesundheit zur Liebe.

Doch auch nach den Renovierungsarbeiten klagt so mancher über Kopfschmerzen und Schleimhautreizungen. Grund dafür sind flüchtige organische Verbindungen, die aus Farbe, Lacken, Klebern oder anderen Baumaterialien vorübergehend austreten. Sie klingen wieder ab, aber um Beschwerden vorzubeugen, sollte der renovierte Wohnraum gut gelüftet werden.

Weitaus gefährlicher sind Holzschutzmittel, wie sie zum Schutz von Deckenbalken in den 1960er und 70er Jahren verwendet wurden. Die Gifte sollten die Balken vor Pilz- und Insektenbefall schützen. Sie wirkten nur zu gut – und wirken noch bis heute, langsam und unauffällig. Betroffene leiden unter chronischer Erschöpfung und Müdigkeit, sind besonders anfällig für Infekte und können schwere Lungenkrankheiten davontragen. Falls der Verdacht besteht, dass die heimischen Holzkonstruktionen mit schädlichen Stoffen behandelt wurden, kann nur eine Schadstoffmessung eines Fachbetriebes Gewissheit bringen. Ab den 1980er Jahren wurden fast nur noch ungefährliche Holzlasuren auf Salzbasis verwendet.

Ein weiterer Angreifer, der Zuhause lauern kann, ist der Schimmelpilz. Während andere Schadstoffe schleichend chronisch krank machen, wird der Schimmelpilz meist sofort bemerkt. Meist führt der Schimmelpilz zu allergischen Reaktionen, er kann aber auch andere Allergien auslösen. Besonders gefährlich ist ein Pilzbefall auf cellulosehaltigen Flächen. „Dort können bestimmte Pilzkulturen wachsen, die auch giftig sein können“, sagt Köhler. Besonders gefährdet sind Menschen mit krankheitsbedingt schwachem Immunsystem. Bei denen können sich Sporen im Körperinneren einnisten und dort weiterwachsen, manchmal mit tödlichen Folgen. „Das ist aber wirklich sehr selten“, sagt Köhler.

Nun ist ein bisschen Schimmel in der Fliesenfuge noch lange kein Grund die Nacht unter freiem Himmel zu verbringen. „Alles unter einem halben Quadratmeter kann man noch selbst mit einem desinfizierenden Reinigungsmittel abtöten“, meint Köhler. Großflächigen Pilzbefall sollte eine Fachfirma beseitigen.

Auch aus dem Untergrund kann eine potentielle Gefahr in den Wohnraum dringen: das radioaktive Bodengas Radon. Das Gas strömt durch Risse im Fundament oder Bodensiele in den Wohnraum. Radon zerfällt zwar mit einer Halbwertszeit von 3,3 Tagen, doch dabei entsteht das Zerfallsprodukt Polonium und das haftet sich an Kleinstteilchen in der Luft. Radon soll einer der Hauptfaktoren für Lungenkrebs sein. Das Gas entsteht in radiumhaltigen Gesteinen im Untergrund wie Granit. Damit ist der Norden weniger betroffen als Gebirgsregionen, doch durch eiszeitliche Gletscherbewegungen gibt es auch in Hamburg stellenweise entsprechenden Untergrund. Das Bundesamt für Strahlenschutz bietet im Internet eine Karte an, wo radongefährdete Gebiete markiert sind. Um gegen das Gas vorzubeugen soll der Keller gut durchlüftet sein und die Kellertür geschlossen bleiben. Etagenwohnungen ohne Verbindung mit dem Keller gelten nicht als gefährdet. Im Zweifelsfall verschafft eine Radonmessung von Experten Gewissheit.

In Mietshäusern ist der Vermieter für eine gesundheitlich unbedenkliche Wohnatmosphäre verantwortlich. Bei Fragen zu eventuellen Schadstoffbelastungen im Wohnraum bietet das Bremer Umweltinstitut kostenlose Beratungen an und führt gegebenenfalls die entsprechenden Analysen durch.