Expressbrief für 81.000 Südwest-CDUlerInnen

Über die Nachfolge von Ministerpräsident Teufel entscheidet die Basis der CDU Baden-Württemberg schon in 3 Wochen – per Briefwahl. Vorher gibt es auf Regionalkonferenzen Rededuelle zwischen Annette Schavan und Günther Oettinger

STUTTGART taz ■ Die rund 81.000 Mitglieder der CDU Baden-Württembergs werden schneller Post bekommen, als ihnen lieb ist. Noch vor dem Bundesparteitag der CDU in Düsseldorf am 6. Dezember sollen sie den KandidatInnen für die Nachfolge von Ministerpräsident Erwin Teufel (CDU) bestimmen. Die Briefwahl erfolgt zwischen dem 16. und 30. November, am „2. Dezember soll das Ergebnis feststehen. Dieses Procedere beschloss am Wochenende der Landesvorstand der Südwest-CDU.

Das Instrument der Mitgliederbefragung, erst vor einem Jahr von der Bundespartei neu in die Satzung aufgenommen, avancierte damit flugs zum Allheilmittel der Union. „Grundsätzlich spricht nichts dagegen, unsere Mitglieder an der Entscheidung über die Kanzlerkandidatenfrage zu beteiligen“, sagte Annette Schavan, die stellvertretende Bundesvorsitzende der CDU ist. Das klang ein bisschen wie der Wink mit dem Zaunpfahl nach München – denn bei einer Urwahl zwischen den KanzlerkandidatInnen Angela Merkel (CDU) und Edmund Stoiber (CSU) wären die Gewichte klar verteilt. In der Unions-Bundestagsfraktion darf die CSU laut Vertrag nicht überstimmt werden, bei einer Mitgliederbefragung selbstverständlich schon.

In dem Brief an die Parteibasis in Baden-Württemberg werden unterdessen nicht nur die Briefwahlunterlagen mit den Namen des Fraktionsvorsitzenden Günther Oettinger und der Kultusministerin Annette Schavan enthalten sein, die beide gerne Erwin Teufels Job übernehmen würden. Zugleich lädt die Partei zu sechs Regionalkonferenzen ein, die sich zu Rededuellen zwischen den beiden KandidatInnen entwickeln dürften. In Gemeindehallen wie der in Schwäbisch Gmünd oder dem Freizeitpark in Rust haben Schavan und Oettinger je dreißig Minuten lang Gelegenheit, die Basis zu überzeugen – und die Medien.

Dabei steht auf der einen Seite der Protestant und Familienvater Oettinger, ein Urschwabe und Daueranwärter auf die Teufel-Nachfolge, der bei diversen Parteigliederungen wie der Jungen Union als Favorit gehandelt wird. Auf der anderen Seite Annete Schavan, eine von Erwin Teufel vor zehn Jahren aus dem Rheinland nach Stuttgart geholte Katholikin, die nun mehr und mehr den Fragen nach ihrem Privatleben ausgesetzt ist.

Bild am Sonntag wollte wissen, was denn ein Schwarzwaldbauer mit einer unverheirateten, kinderlosen Frau wie ihr anfangen könne. Schavan antwortete, bislang hätten beide Seiten keine Probleme miteinander gehabt. „Im Übrigen muss man als Landesmutter keine Kinder haben“, sagte die 49-Jährige. „Ich lebe allein – und zwar aus unspektakulären Gründen.“

Fraktionschef Günther Oettinger musste sich indes anhören, dass die ja wesentlich durch ihn ausgelöste Debatte um die Nachfolge Teufels für den Ministerpräsidenten wie für die Partei kein Spaß war. „Die Diskussionen der vergangenen Wochen und meine Entscheidung vom letzten Montag zum Rücktritt haben tiefe Verunsicherung in der Partei hervorgerufen“, sagte Erwin Teufel nach der Sitzung des Landesvorstands. Dieser Entwicklung könne man nur entgegentreten, wenn auch die Parteibasis das Mitspracherecht in der Frage seiner Nachfolge habe. Teufel will sein Amt am 19. April 2005 aufgeben.

Zu der Mitgliederbefragung gibt es jedoch weiterhin kritische Stimmen aus dem Umfeld Oettingers. So droht der CDU-Landtagsabgeordnete Rolf Kurz seiner Partei mit einer Klage beim Staatsgerichtshof. Oettinger selbst plädierte am Sonnabend für eine geheime Abstimmung innerhalb seiner CDU-Fraktion, die er allerdings als Stimmungsumfrage kennzeichnete. Das Ergebnis könne als „Empfehlung“ für die Wahlkreise dienen. MARTIN U. MÜLLER

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