Aufstand in Stadland

Der Kreistag Wesermarsch hat gestern die Baugenehmigung für ein Zwischenlager am AKW Unterweser erteilt. Die betroffene Gemeinde wehrt sich und argumentiert: Kein Zwischenlager, wo unser Bebaungsplan schon eine andere Nutzung vorsieht

„Der Kreistag kann sich mit seiner Entscheidung nicht über Ortsrecht hinwegsetzen“

von DOROTHEA SIEGLE

Heiß ist der Gegenstand, hitzig der Streit: Gestern gab der Kreistag Wesermarsch dem Antrag des Energiekonzerns E.ON statt, auf dem Gelände des AKW Unterweser ein Zwischenlager zu bauen – dort sollen hinfort die abgebrannten Brennstäbe glühen. Mit 22 Ja-Stimmen von SPD und FDP und gegen die Stimmen von CDU und Grünen erteilte der Kreistag die Baugenehmigung. Die Gemeinde Stadland, in deren Gebiet das AKW Unterweser liegt, wird nun Widerspruch gegen den Beschluss einlegen und will den geplanten sofortigen Baubeginn durch einen Aufschub beim Verwaltungsgericht Oldenburg verhindern. Die Stadländer wollen kein Zwischenlager in ihrer Gemeinde – und außerdem sagen sie: Der Beschluss des Kreistags ist nicht rechtens.

Fast klingt es wie ein Schildbürgerstreich: Im Jahr 2000 einigen sich Bundesregierung und Energiewirtschaft im Rahmen des Atomkonsenses darauf, dass jeder AKW-Betreiber so schnell wie möglich ein Zwischenlager am oder in der Nähe des Kraftwerks errichten muss. Die Gemeinde Stadland sagt: Nein, kein Zwischenlager am AKW Unterweser – und außerdem bauen wir auf dem Gebiet doch schon etwas anderes: Der Gemeinderat – dominiert von einer schwarz-grün-gelben Koalition – legt einen Bebauungsplan für das Gebiet vor, auf dem auch das AKW steht. Dieser sieht vor, dass dort ein Gaskraftwerk mit Kraft-Wärme-Kopplung entstehen soll, wenn das AKW Unterweser um das Jahr 2011 vom Netz geht.

Die Argumentation der Stadländer: Kein Zwischenlager, wo das kommunale Bebauungsrecht schon etwas anderes vorsieht. „Der Kreistag kann sich mit seiner Entscheidung nicht über das Ortsrecht hinwegsetzen“, sagt Dietrich Hagen Hartwich, Rechtsanwalt und CDU-Gemeinderat in Stadland. Letztlich wird das Verwaltungsgericht entscheiden müssen, wer Recht bekommt: Der Kreis und E.ON oder die Gemeinde. Letzere wähnt zudem das Landesrecht auf ihrer Seite: Nach dem niedersächsischen Raumordnungsplan von 1994 soll auf den Gebieten der Kernkraftwerke nach deren Betriebsende nicht-nukleare Energie erzeugt werden.

70 Prozent der Stadländer Bürger sind nach einer Umfrage gegen ein Zwischenlager in ihrer Gemeinde – und haben die Bürgerinitiative „Z“ gegen den Bau ins Leben gerufen. Diese kritisiert unter anderem die Sicherheitsvorkehrungen in dem geplanten Lager als „vollkommen unzureichend“. Die Brennstäbe sind in Castor-Behältern untergebracht, die bis zu 100 Grad heiß werden können. Gekühlt werden sollen die Behälter mit Luft: Die geplante Halle hat Lüftungsschlitze, durch die es dann ordentlich durchzieht. „Wenn dann mal ein Behälter undicht ist, gelangt die Radioaktivität ungehindert in die Umwelt“, sagt Helga Rinsky von der Bürgerinitiative. Wo der Atommüll, den das AKW Unterweser produziert, letztendlich hin soll, kann die Bürgerinitiative aber auch nicht so recht sagen: „Es gibt einfach keine sinnvolle Möglichkeit, wo die Brennstäbe für eine Million Jahre sicher gelagert werden können.“